Der irische Regie-Debütant Andrew Legge nähert sich dem Spiel mit dem alternativen Geschichtsverlauf überaus originell an: Er inszeniert es als eine Art historischen Found-Footage-Film, gedreht auf 16-mm-Material und gespickt mit fiktiven Wochenschauen. Der grobkörnige, experimentelle Home-Movie-Look in Schwarz-Weiß fordert unsere Sehgewohnheiten zwar heraus, bleibt aber in seinen knappen 79 Minuten durchaus gut verträglich. Zumal er auch viel Witz und Schauwert mit sich bringt.
Es beginnt mitten im Zweiten Weltkrieg: Zwei britische Schwestern – Thom(asina) und Martha – haben eine Maschine namens LOLA erfunden, mit der sie Funk- und Fernsehwellen aus der Zukunft empfangen können. Während der Rest von Europa gerade erst Jazz kennenlernt, hören die beiden jungen Frauen längst Bob Dylan und David Bowie. Sie wissen, dass die Amerikaner einst auf dem Mond spazieren werden. Und hören bei der Gelegenheit auch deutsche Funksprüche ab.
David Bowie verschwindet
Nachdem 1941 jede Menge deutsche Luftangriffe auf England geflogen werden, liegt es nahe, die heimische Militärführung zu warnen. Die Nazis erleiden empfindliche Niederlagen („Voll erwischt, Hitler!“), die britische Zivilbevölkerung wird rechtzeitig vor Bombenangriffen gewarnt. Die beiden Schwestern gehen als „Engel von Portobello“ in die Geschichte ein. Gefeiert wird in Tanzlokalen, wo eine Band „You Really Got Me“ von den Kinks spielt – allerdings noch ohne Stromgitarre.
Doch dann geht alles schief. David Bowie verschwindet aus der Zukunft. Ebenso Bob Dylan. Denn die Zukunft wurde verändert: Was, wenn David Bowie nicht Sänger, sondern Zahnarzt geworden ist?
Die Deutschen entdecken LOLA und nehmen England ein. In einer manipulierten Wochenschau-Aufnahme marschiert Hitler mit erhobenem Arm über den Piccadilly Circus. Eine der Schwestern – Thom – wird zur Nazi-Kollaborateurin.
Ab diesem Zeitpunkt gerät Andrew Legge die Plausibilität seiner Geschichte etwas durcheinander. Die Kehrtwendung von Thom zu den Faschisten vollzieht sich allzu flott, moralische Fragestellungen werden nie mit den Bedingungen einer realen Welt konfrontiert. „LOLA“ bleibt von Herzen gerne verspieltes, frisches Außenseiterkino, das sich mit seinen visuellen Einfällen zufriedengibt.
INFO: IRL/GB 2022. 79 Min. Von Andrew Legge. Mit Emma Appleton, Stefanie Martini, Rory Fleck-Byrne.
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