Während ein Drama wie „12 Years a Slave“ die Brutalität von Menschenbesitz in aller Grausamkeit ausleuchtete oder ein Werk wie Colson Whiteheads Roman „Underground Railroad“ die historischen Fakten literarisch komplex erzählte, verhält sich „Harriet“, das Bio-Pic, dazu relativ einfach gestrickt.
Nachdem ihre erste Flucht geglückt ist, setzt Harriet wiederholt zur Rückreise an, um möglichst vielen Sklaven – darunter ihre Familie – in die Freiheit zu leiten. Ihr unverbrüchlicher Glaube hilft ihr bei einer Abfolge von Verfolgungsjagden, in denen sich die aufgebrachten Sklavenbesitzer zusammenrotten, um ihr fliehendes Eigentum einzufangen.
Nina Simones legendärer Song „Sinnerman“ untermalt eine Montage mit Szenen von flüchtenden Sklaven mit einer Kraft, die den polierten Bildern oft fehlt. Auch finden im steten Fluss der Actionsequenzen einzelne Figuren kaum die Muße, Wurzeln in der Erzählung zu schlagen und charakterlichen Tiefgang zu entwickeln. Die Protagonisten, sogar die Hauptfigur selbst, bleiben schematisch und wenig ausgeklügelt, trotz Cynthia Erivos packendem Spiel.
Insofern funktioniert „Harriet“ besser als veredeltes Filmdenkmal einer bewunderungswürdigen, glaubensstarken Heldin , denn als Porträt einer vielschichtigen, interessanten Frau.
INFO: USA 2019. 125 Min. Von Kasi Lemons. Mit Cynthia Erivo, Janelle Monáe
Filmkritik zu "Smuggling Hendrix": Angelina Jolie war noch nicht hier
„Warum kaufen Sie sich nicht einen neuen Hund?“
Wahrscheinlich wäre das tatsächlich am einfachsten gewesen, aber wie jeder Hundebesitzer weiß, hängt man nun mal an seinem eigenen Haustier. So auch der glücklose Mittvierziger Yiannis, ein verkrachter griechisch-zypriotischer Musiker, der Zypern verlassen und in Holland ein neues Leben beginnen möchte. Leider büxt ihm sein Hund Jimi, eine aufgeweckte Promenadenmischung, aus und galoppiert in die UN-Pufferzone auf der von der Türkei kontrollierten Seite Zyperns. Daraus ergibt sich ein Problem: Ein Hund, der „illegal“ ausgereist ist, darf nicht legal einreisen.
Ratlos steht Yiannis nun mit seinem Kelef an der Grenze und kann nicht mehr nach Hause zurück.
Mit sanftem Humor erzählt Regisseur Marios Piperides in seinem Filmdebüt von der Absurdität einer Grenzsituation, die wenig im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit verankert ist: „Prinzessin Diana war nie hier, Angelina Jolie auch noch nicht.
Im Zuge seiner Hundesuche gerät Yiannis an einen türkischen Zyprer, der in jenem Haus wohnt, in dem Yiannis’ Familie vor der türkischen Besetzung gelebt hat. Unter dem Schlachtruf „Das ist mein Haus!“ brechen sofort die Animositäten auf, doch schließlich werden alle widerwillig Verbündete beim Hundeschmuggeln.
Adam Bousdoukos, bekannt aus Fatih Akins „Soul Kitchen“, stolpert als Yiannis sympathisch unbedarft durch eine freundliche, superb gespielte Grenzkomödie, die zwar manchmal ins Klischee kippt, aber mit bestechender Einfachheit und gutmütigem Witz eine todernste Situation aufhellt.
INFO: CYP/D/GRC 2018. 90 Min. Von Marios Piperides. Mit Adam Bousdoukos, Fatih Al
Filmkritik zu "Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me": „Surreal wie ein Bild von Dalí“
In seinem Kopf habe er das Alter von 29 nie überschritten, sagt Ronnie Wood, Gitarrist der Rolling Stones: „Dass ich bereits 72 bin, kommt mir so surreal vor wie ein Bild von Dalí.“
Humor hat er, der ausgemergelte Brite mit der Frisur einer zerzausten Nebelkrähe: Im Porträt von „Leaving Las Vegas“-Regisseur Mike Figgis erinnert sich Ronnie Wood leutselig an seine åKindheit im Londoner Sozialbau mit Alkoholikervater, seinen exzessiven Konsum von Zigaretten und Drogen und die frühen Jahre der britschen Rock-’n’-Roll-Szene, die er bei der Jeff-Beck-Group und den Faces verbrachte, ehe er bei den Rolling Stones landete.
„Irgendjemand da oben mag mich“, bemerkt Wood lakonisch mit Verweis auf seine kürzlich überstandene Lungenkrebsoperation. In leichtem Plauderton erinnert sich Ronnie Wood an zahlreiche Freunde und Weggefährten, die in Form von Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Rod Stewart oder Damien Hirst auch selbst zu Wort kommen.
„Wenn ich vor einer Weggabelung stehe, nehme ich sie“, kichert der Musiker auf die Frage nach seiner Lebensphilosophie. Sehr viel tiefsinniger wird’s nicht, was psychologische Einsichten anbelangt: Wood, der Hobbymaler, pinselt zartbekleidete Ballerinen, die Figgis meist dezent im Hintergrund hält, während die Männer über Vergangenheit und Gegenwart plaudern.
Hardcore-Stones-Fans werden nicht viel Neues erfahren. Doch das schöne Archiv-Material, mit dem Figgis seine Aufnahmen spickt, und Ronnie Woods gut gelaunte Britishness machen die knappe Rock-Doku kurzweilig und sehenswert.
INFO: UK 2019. 72 Min. Von Mike Figgis. Mit Ron Wood, Mick Jagger
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