Filmkritik zu "Bones and All": Lust auf Liebe und Menschenfleisch
Wieder Ronald Reagan. Und wieder eine Coming-of-Age-Geschichte – diesmal vom italienischen Regisseur Luca Guadagnino, der mit „Call Me By Your Name“ Timothée Chalamet („Dune“) zu internationalem Durchbruch und einer Oscarnominierung verholfen hatte.
In „Bones and All“ erzählt Guadagnino eine Geschichte über das Erwachsenwerden in der Reagan-Ära mit den drastischen Effekten eines Horrorfilms, angetrieben vom Motor des Roadmovies.
Eine Schülerin namens Maren besucht eine Freundin anlässlich einer Übernachtungsparty – und beißt ihr unvermutet den Finger ab. Danach begibt sie sich auf die Suche nach ihrer Mutter. Der Wunsch, sie wiederzufinden und damit auch ihr eigenes Schicksal (als Kannibalin) zu ergründen, treibt sie quer durch den Mittleren Westen. Unterwegs trifft sie auf einen anderen jungen Kannibalen namens Lee (Chalamet), der sich ebenfalls permanent „on the road“ befindet. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Liebesbeziehung, in deren unmittelbarem Umfeld Sexualität und Gewalt blutig ineinandergreifen.
Außenseitertum und die Suche nach Identität gehören zu Guadagninos Lieblingsthema und wurde zuletzt in seiner exzellenten TV-Serie „We Are Who We Are“ variiert. Sein queeres Kino fühlt sich auch deswegen so außergewöhnlich an, weil es sich nicht (nur) auf sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität konzentriert, sondern von der radikalen Erfahrung des Andersseins erzählt, vom Herausfallen aus der gesellschaftlichen Norm und der damit einhergehenden Vereinsamung und Vereinzelung. Den jugendlichen Selbstfindungstrip und die Suche der eigenen Identität verhandelt er als buchstäblich fleischlichen Prozess – mit Mut zu extremen Konsequenzen.
INFO: I/USA 2022. 130 Min. Von Luca Guadagnino. Mit Timothée Chalamet, Taylor Russell.
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