Tom Cruise macht alles selbst. Egal, ob er vom höchsten Haus der Welt baumelt oder mit einem Motorrad in den Abgrund springt – das Publikum weiß: Tom Cruise ist sein eigener Stuntman.
Üblich ist das nicht. Die wenigsten Stars sitzen selbst im Auto, wenn es sich bei einer Verfolgungsjagd dreimal überschlägt. Sie stürzen auch nicht eigenhändig aus dem Fenster oder lassen sich von einer Feuersbrunst anzünden. Das erledigen die Stunt-Männer und -Frauen.
Sie sind die heimlichen Helden des Kinos – und ihnen zu Ehren fordert Regisseur David Leitch – selbst Ex-Stuntman – eine eigene Oscar-Kategorie.
Um zu beweisen, was das Stunt-Gewerbe alles für kinetische Wunder vollbringen kann, rollt Leitch in seiner Actionkomödie „The Fall Guy“ so ziemlich alles aus, was sein Fach zu bieten hat. Es wird gekämpft, gesprungen, gestürzt, geflogen, gebrannt ... Und das Beste daran: Es wird gespielt von Ryan Gosling (und seinen Stuntmännern).
Barbies „I’m Just Ken“-Gosling verkörpert den idealen Mix aus Actionheld und romantischem Liebhaber, zumal an der Seite der schlagfertigen Emily Blunt.
Gosling ist Colt Seavers, ein Stuntman, dessen Rolle lose auf der Hauptfigur der Achtzigerjahre-Serie „Ein Colt für alle Fälle“ basiert.
Zu Beginn ist alles super bei Colt Seavers – wie er uns selbst aus dem Off erzählt: Er doubelt einen großen (aber ziemlich dämlichen) Star namens Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson) und ist verliebt in die Kamerafrau Jody Moreno (Blunt). Karriere und Liebesleben laufen wie geschmiert. Bis es zu einem fatalen Unfall kommt, der Colt aus seinem Beruf und seiner Beziehung katapultiert.
Achtzehn Monate später arbeitet Colt Seavers als abgehalfterter Valetfahrer in einem Restaurant und lässt sich von dessen Angestellten herumkommandieren.
Dann erreicht ihn ein Anruf von einer Filmproduzentin: Er möge unbedingt als Stuntman auf das Set einer riesigen Blockbuster-Produktion in Sydney kommen, bei dem seine Ex-Liebe Cody Regie führt. Der Star der Produktion, der unleidliche Tom Ryder, ist im australischen Drogenuntergrund verschwunden; Colt Seavers soll ihn aufspüren, heil ans Set zurückbringen und damit Codys ersten Film retten.
Wie im Vollrausch
Im Kern von David Leitchs poliertem Action-Blockbuster schlägt ein romantisches Herz. Als Colt und Jody aufeinandertreffen, sprühen lustig die Screwball-Funken, während links und rechts die Filmsets explodieren. Wie im Vollrausch taucht Leitch ins Stunt-Universum ein und verteilt seine Action-Schübe genussvoll über mehrere Erzählstränge. Die zunehmend dünner werdenden, (überlangen) Handlungsfäden dienen dazu, immer weitere sensationelle Stunt-Hochleistungen ins Spiel zu bringen, was auf die Dauer gleichermaßen begeistert und ermüdet. Aber kleine Scherze im lauten Actiongedöns erhalten die Laune – sei es das gewitzte Geplapper zwischen Colt und Cody oder der Einsatz eines Kampfhundes, der nur Französisch versteht. Hingebungsvoll und höchst weitgehend unterhaltsam demonstriert Leitch die große Kunst der Stunt-Performance: Sie hätte einen Oscar mehr als verdient.
INFO: USA 2024. 106 Min. Von David Leitch. Mit Ryan Gosling, Emily Blunt, Aaron Taylor-Johnson.
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