Filmkritik zu "Heretic": Die zwei Gesichter des Hugh Grant

Zuerst freundlicher Biedermann, dann bösartiger Demagoge: Hugh Grant in „Heretic“
Der Brit-Star spielt in einem gruseligem Horror-Schocker gegen sein Images als netter Typ an

Hugh Grant galt lange als Inbegriff des romantischen Liebhabers. Seine elegant nach hinten geschwungene Haarwelle über träumerisch blauen Augen definierte den Look des sensiblen Leading-Man der 90er-Jahre. Ganze Generationen haben ihn angeschmachtet – gemeinsam mit Andy McDowell in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder Renée Zellweger in den „Bridget Jones“-Filmen. Emma Thompson lag ihm in „Sinn und Sinnlichkeit“ zu Füßen, und Julia Roberts tauschte in „Notting Hill“ ihren amerikanischen Starruhm gegen ein „normales Leben“ mit dem begehrten Briten ein.

Mittlerweile sei er für romantische Komödien „zu alt, zu dick und zu hässlich“, ließ der Schauspieler mit dem für ihn typischen Zug zur Selbstironie verlauten: „Heute mache ich interessantere Dinge.“ Horror, zum Beispiel.

In dem sinistren Religionsschocker „Heretic“ spielt der 64-Jährige radikal gegen sein empfindsames Star-Image an. Als Mr. Reed im Karo-Strick und mit Spießerbrille öffnet er zwei Missionarinnen die Tür. Die beiden jungen Frauen wollen zuerst gar nicht über die Schwelle seines abgelegenen Hauses treten, weil ihnen als Mormonen verboten ist, sich allein mit einem Mann im Zimmer aufzuhalten.

Das sei kein Problem, versichert Mr. Reed: Seine Frau sei hinten in der Küche und backe Heidelbeerkuchen.

Ein zarter Duft erfüllt den Raum. Beruhigt treten die beiden Mädchen ein. Sie nehmen in einem muffigen, in tristen Brauntönen gehaltenen, klaustrophobischen Wohnzimmer Platz und lassen sich in eine zunehmend unangenehme Diskussion verstricken. Mit anlassigen Fragen wie „Was haltet ihr von Polygamie?“ treibt Mr. Reed seine Besucherinnen in die Enge und verwandelt sich vor ihren Augen vom freundlichen Biedermann in einen maliziösen Demagogen. Auch von der angeblichen Ehefrau fehlt jede Spur – und irgendwann bemerken die Missionarinnen, dass der Geruch von Heidelbeerkuchen von einer Duftkerze stammt – und nicht aus der Küche. Das Wohnzimmer verwandelt sich in eine Falle.

Filmkritik zu "Heretic": Die zwei Gesichter  des Hugh Grant

Zwei Missionarinnen in der Falle: "Heretic"

Betschwestern

In seiner Rolle als Mr. Reed exerziert Hugh Grant in beißenden Monologen und mit sardonischem Humor genussvoll seine Religionskritik durch und verwandelt sie in ein tödliches Mindgame.

Allerdings fällt es beim Zuschauen nicht ganz leicht, das innere Bild vom netten Hugh Grant mit dem eines geisteskranken Mörders zu überblenden, wiewohl Grant in seiner eloquenten Rolle durchwegs brilliert. Vielleicht auch deshalb legen die Regisseure Scott Beck und Bryan Woods – übrigens die Drehbuchautoren von „A Quiet Place“ – im letzten Drittel ein Schäuflein nach und lassen ihr ketzerisches Kammerspiel in einen etwas abstrusen Gruselhorror kippen.

Filmkritik zu "Heretic": Die zwei Gesichter  des Hugh Grant

Vom Biedermann zum bösartigen Demagogen: Hugh Grant in "Heretic"

Leider erweist sich auch das Drehbuch mit seinen häretischen Weisheiten als nicht ganz so schlau, wie es gerne wäre. Trotzdem hält „Heretic“ durchaus seine Spannung, zumal sich Sophie Thatcher und Chloe East als Betschwestern als nicht ganz so unbedarft erweisen, wie es den Anschein hat. Gemeinsam mit Hugh Grant ergeben sie das Gegenteil einer romantischen Komödie: Ein packendes Trio Infernal.

INFO: USA/KAN 2024. 111 Min. Von Duo Scott Beck, Bryan Woods. Mit Hugh Grant, Sophie Thatcher.

Kommentare