Filmkritik zu "Blink Twice": Im Party-Rausch des Vergessens

Naomi Ackie als Kellnerin Frida in einem Luxus-Resort: "Blink Twice"
Ursprünglich wollte die Schauspielerin Zoë Kravitz ihr Regiedebüt „Pussy Island“ nennen. Doch dann stellte sich bei ersten Marketing-Umfragen heraus, dass viele Frauen – also die vordringliche Zielgruppe ihres Films – den Titel nicht mochten. Also entschied sich Zoë Kravitz, Tochter von Lenny Kravitz und Lisa Bonet, zügig um und nannte ihren smarten, schwarzhumorig-hintergründigen Post-MeToo-Thriller „Blink Twice“.
Tatsächlich sollte man manchmal besser zwei Mal hinsehen; besonders dann, wenn die Oberfläche zu schön wirkt, um wahr zu sein. Genauer hinzuschauen hätte auch der Kellnerin Frida nicht geschadet. Als sie auf einer Fundraising-Gala die Bekanntschaft mit dem Tech-Milliardär Slater King macht – bestaussehend gespielt von „Magic Mike“-Darsteller Tatum Channing –, ist sie einfach nur geblendet. Und als er sie und ihre beste Freundin Jess fragt, ob sie beide nicht mit ihm und ein paar Freunden auf seine exotische Insel jetten wollen, um dort ein entspanntes Wochenende zu verbringen, sagt sie blindlings zu.
Dabei hatte besagter Tech-Millionär erst kürzlich an die Öffentlichkeit treten müssen, um sich „für sein Fehlverhalten in der Vergangenheit“ zu entschuldigen.
Es liegt nahe, dass es sich dabei unausgesprochen um einen MeToo-Fall handelt, doch Frida lässt sich davon nicht beirren. Ihre Freude über die Zufallsbekanntschaft ist einfach zu groß.
Erst einmal im Luxus-Resort gelandet, geht die Party munter weiter. Frida, Jess und ein paar junge Frauen finden sich in noblen Gästezimmern wieder und feiern mit dem Gastgeber und seiner Kumpel-Gruppe rauschhafte Feste. Einzig die Hausangestellten wirken seltsam und erinnern mit ihrem grimassenhaften Lächeln beunruhigend an Jordan Peeles Horrorfilm „Get Out“. Auch die knallroten Blumen, die die schneeweißen Leintücher verzieren, gemahnen eher an Blutflecken als an Pflanzen. Dass etwas mit der Inselidylle und dem perfekten Gastgeber nicht stimmt, ahnt man als Publikum lange, bevor es auch Frida und Jess dämmert. Zu steril und zwangssymmetrisch präsentieren sich die kontraststarken Tableaus von dem Luxusanwesen. Zu nahe rückt die Kamera an die Gesichter der Menschen.

Zu schön, um wahr zu sein? Channing Tatum in "Blink Twice"
Schaurige Ahnung
Er müsse in Therapie gehen, erzählt der charmant-sinistre Milliardär der verknallten Frida. Er könne sich an die ersten zehn Jahre seines Lebens nicht erinnern.
Aber wäre es nicht ohnehin besser, zu vergessen?
Ist Vergessen können nicht in Wahrheit ein großes Geschenk?
Kravitz unterfüttert die hellgrelle Oberfläche ihrer Party-Bilder und deren dauerhaft grinsenden Gästen mit einer schaurigen Ahnung. Warum hat Frida plötzlich so dreckige Fingernägel? Wo kommt der blaue Fleck am Oberarm ihrer Rivalin Sarah her? Warum kann sich keiner der Besucher an die Nächte erinnern?

Channing Tatum und Naomi Ackie in "Blink Twice"
Die düstere Annahme, dass (weibliches) Vergessen es manchmal einfacher zu machen scheint, in einer Männerwelt zu leben, wandelt die Regisseurin stilsicher um – in einen packend-blutigen Sci-Fi-Schocker mit einem Hauch von surrealem Humor. Nicht umsonst hat Zoë Kravitz auch am Drehbuch mitgeschrieben: Glücklich ist nicht, wer vergisst, sondern wer sich erinnert und zurückschlägt.
INFO: MEX/USA 2024. 102 Min. Von Zoë Kravitz. Mit Naomi Ackie, Channing Tatum.
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