Filmkritik zu "Back to Black": „Ich bin kein verdammtes Spice-Girl“
Alles, was Sie schon immer über Amy Winehouse wissen wollten,
erfahren Sie in der Doku „Amy“ von Asif Kapadia. In seinem materialstarken Film von 2015 akkumulierte der Regisseur so ziemlich alle (Boulevard-)Bilder, die damals über das exzessive Leben der Londoner Sängerin zirkulierten. Zudem interviewte er eine Menge Leute – Familie, Freunde, Wegbegleiter – und verfertigte ein vielschichtiges Porträt des Pop-Superstars.
Ziemlich schlecht wegkam dabei Amys Vater Mitch Winehouse, dem der Erfolg seiner Tochter offenbar um einiges wichtiger war als ihre Gesundheit.
Die nun nachgespielte Karaoke-Neuauflage „Back to Black“ hat Rückendeckung von den Winehouse-Erben; dementsprechend weichgespült erzählt sie von Aufstieg und Fall der Ausnahmesängerin. Besonders Vater Mitch, von Beruf Taxifahrer und pfiffig gespielt von Eddie Marsan, hat eine Wandlung zum guten Daddy vollzogen. Nur wenn seine Tochter Musikproduzenten mit Sätzen wie „Ich bin kein verdammtes Spice-Girl“ vergrault, wird er ein bisschen streng. Aber meistens drückt er ein Auge zu.
Als Amy Winehouse im Jahr 2006 „Back to Black“ veröffentlichte, schlug das Album ein wie ein Komet und machte die Neo-Soulsängerin zum globalen Pop-Star. Begleitend dazu trieb der Boulevard Amy Winehouse mit sensationalistischen Meldungen über Drogenexzesse und Abmagerungskuren vor sich her. Am 23. Juli 2011 erfüllten sich die lüsternen Prophezeiungen: Winehouse starb im Alter von nur 27 an Alkoholvergiftung. An diese biografischen Eckdaten hält sich auch Regisseurin Sam Taylor-Johnson, bekannt geworden durch ihre schwüle Verfilmung von „Fifty Shades of Grey“. Tapfer singt sich Hauptdarstellerin Marisa Abela mit eigener Stimme durch die ikonischen Songs von Amy Winehouse und meistert einige der legendären Bühnenauftritte souverän. Leider besteht ihre Hauptaufgabe größtenteils darin, an ihrer Liebe zu Blake Fielder-Civil zu leiden.
Bad Boys
Winehouse neigte zu Bad Boys wie Pete Doherty oder Blake Fielder-Civil, der selbst zugegeben hatte, seine Freundin mit Heroin angefixt zu haben. In der neuen Softversion fällt Doherty gleich ganz weg, während Fielder-Civil die Sängerin in öde inszenierten Pub-Szenen darüber belehren darf, wer die Band The Shangri-Las war. Ansonsten erscheint er als charmanter Schwerenöter, an dem die Sängerin einen unglücklichen Narren gefressen hatte; richtig abgründig wird es nie. Viel schlimmer noch: Wofür sich der Film praktisch gar nicht interessiert, ist Amy Winehouse als Künstlerin und das Schreiben ihrer Musik. Wann und wie die zustande kam, bleibt weitgehend im Dunkeln, sieht man davon ab, dass Amy einmal in ihrem Kinderzimmer sitzt und die Gitarre kratzt.
Schlagartig wird sie berühmt, was man vor allem daran merkt, dass aufdringliche Fotografen um sie herumschwirren. Für komplexere Prozesse der Musikproduktion findet sich kein Platz.
Und was – abgesehen von ihrer tollen Stimme – Amy Winehouse tatsächlich zu einer Jahrhunderterscheinung machte, darf sich jeder selbst zusammenreimen. In „Back to Black“ ist sie nicht viel mehr als ein talentiertes Mädchen mit einem gebrochenen Herzen.
IMFO: F/USA/GB 2024. 122 Min. Von Sam Taylor-Johnson. Mit Marisa Abela, Eddie Marsan.
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