In der gekonnten Mischung aus Prequel und Spin-off fallen wieder Raumschiffe, gefüllt mit spinnenartigen Aliens auf die ahnungslose Erde. Die grausigen Monster sind zwar blind, reagieren aber auf geringste Geräusche. Wie klappernde Störche kündigen sie ihr Kommen an und und zerreißen alle Lebewesen in Hörweite. Die Verlagerung vom weißen Kleinstadt-Amerika der beiden Vorgängerfilme in den Melting Pot New York bringt eine Schwarze Protagonistin und neue Perspektiven ins Spiel.
Die unvergleichliche Oscarpreisträgerin Lupita Nyong’o („12 Years a Slave“) verkörpert eine todkranke Frau namens Samira, die von Beruf Dichterin ist und in einem Hospiz betreut wird. Noch weiß niemand, dass es bald fleischfressende Riesenechsen regnen wird. Stattdessen plant die Patientengruppe einen Trip nach Manhattan zu einer Aufführung ins Marionetten-Theater. Samira sitzt ebenfalls im Publikum: An ihre Brust hält sie ihren ständigen Begleiter, eine schwarz-weiße Katze namens Frodo gedrückt.
Ein alter Herr betritt mit einer Holzpuppe am Faden die Bühne und lässt für ein paar poetische Minuten die Wirklichkeit zurücktreten. Ein Luftballon hebt die Marionette hoch und lässt sie schweben – solange, bis der Ballon zerplatzt und die Puppe wieder zu Boden sinkt.
Das Unheil wirft seine Schatten nicht voraus, sondern kündigt sich mit lautem Knall an. Kurz darauf stürzen sich die Aliens vom Himmel, bringen Gebäude zum Explodieren und vernichten die Bewohner New Yorks. Verstörte Menschen stehen mit tauben Ohren im Aschenregen – und rufen Erinnerungen an Bilder von 9/11 wach.
Horror in Harlem
„A Quiet Place“-Macher John Krasinski hat die Regie diesmal Michael Sarnoski überlassen. Dieser bewies bereits in seinem Spielfilmdebüt „Pig“, in dem Nicolas Cage sein geliebtes Trüffelschwein sucht, sein Händchen für große Gefühle. „A Quiet Place: Tag Eins“ ist nicht nur schaurige, Horror-handwerklich effektvoll inszenierte Alien-Apokalypse, sondern auch gefühlvolle Liebeserklärung an die Stadt New York: Eine Wohnung in Harlem, eine verlassene Jazzbar, eine alte Kirche und die Kanäle im U-Bahnsystem werden zu charismatischen Austragungsorten für den Showdown menschlicher Zivilisation.
An Samiras Seite hat sich ein britischer Jusstudent namens Eric gesellt (tränenreich gespielt von Joseph Quinn aus „Stranger Things“). Die beiden bilden – gemeinsam mit der Katze – eine Art Notgemeinschaft inmitten des Chaos. Die ausdrucksgeballte, weil meist stumm gespielt Dynamik zwischen ihnen bekommt die Intensität eines Kammerspiels mit wechselnden Schauplätzen. Auf der (urbanen) Tonspur, kämpfen auch die Soundwelten miteinander – in dramatischer Abfolge von Stille und Sturm, Poesie und Spektakel, Gefühl und Geschrei.
Schon allein die Entscheidung, eine Sterbende ins Zentrum eines zivilisatorischen Überlebenskampfes zu stellen, intensivieren das Gefühl von Trauer und Verlust. Sarnoski überzieht seine explodierenden Katastrophenbilder mit einer Glasur von Melancholie. Der Fetzen eines Gedichtes oder ein Buch der Schwarzen Sci-Fi-Autorin Octavia Butler am Rande des Gehsteigs, sie werden zu Zeugen einer untergehenden Welt – bis zum herzzerreißenden Abschied.
Kommentare