Filminstitut verlangt von Ulrich Seidl alle Dokumente über den „Sparta“-Dreh

Filminstitut verlangt von Ulrich Seidl alle Dokumente über den „Sparta“-Dreh
Das Festival von San Sebastian will den Film trotz der Vorwürfe zeigen – VERA* berät ab nun bei Missbrauch

Trotz der Vorwürfe, die der Spiegel gegen den österreichischen Regisseur Ulrich Seidl erhoben hat, hält das Filmfestival von San Sebastian an der Präsentation von „Sparta“ im offiziellen Wettbewerb fest. Das „Bruderstück“ zu Seidls „Rimini“ soll in Nordspanien seine Europa-Erstaufführung feiern (die Weltpremiere ist für den 9. September auf dem Filmfestival Toronto geplant).

Man sei nicht in der Lage zu beurteilen, ob es während der Dreharbeiten zu Vergehen kam, sagte die Festivalleitung dem KURIER. „Wenn jemand Beweise für ein Verbrechen hat, sollte er dies der Justiz melden. Nur ein Gerichtsbeschluss könnte dazu führen, dass wir eine geplante Vorführung aussetzen.“ Die Behörden in Rumänien haben unterdessen Ermittlungen wieder aufgenommen.

„Sparta“ handelt vom Mittvierziger Ewald (Georg Friedrich), der nach der Trennung von seiner Freundin in der rumänischen Einöde einen Neuanfang wagt. Dort baut er mit Dorfburschen ein verfallenes Schulgebäude auf und muss sich einer lange verdrängten Wahrheit stellen.

Seidl wehrt sich

Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete über massive Vorwürfe seitens der jugendlichen Laiendarsteller und deren Familien. Diese seien nicht korrekt über die Filmthematik Pädophilie informiert worden. Kinder hätten sich am Set unwohl gefühlt und mit Erwachsenen unangenehme Szenen drehen müssen. Auch in Rumänien vorgeschriebenen Auflagen zum Dreh mit Kindern (Zustimmung von Kinderärzten und Psychologen) seien nicht eingehalten worden.

Seidl wehrt sich und möchte rechtliche Schritte einleiten. Gerüchte oder aus dem Kontext gerissene Vorkommnisse seien zu einem „Zerrbild montiert“ worden: „Nie haben wir beim Dreh die Grenzen des ethisch und moralisch Gebotenen überschritten.“

Vorwürfe wiegen schwer

Für Andrea Mayer, die Kulturstaatssekretärin, wiegen die Vorwürfe allerdings „sehr schwer“. Das Österreichische Filminstitut (ÖFI) habe bereits begonnen, diese zu prüfen. Es forderte Seidl auf, alle Dokumente, darunter die Protokolle der Dreharbeiten und die Zustimmungserklärungen, auszuhändigen. Das ÖFI förderte Seidls Projekt „Böse Spiele“ – es besteht aus „Rimini“ und „Sparta“ – mit 1,3 Millionen Euro. Hinzu kommen 675.000 Euro vom ORF und noch weitere Subventionen in derzeit unbekannter Höhe. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, könne eine Rückzahlung der Förderungen gefordert werden.

Dies sagte Andrea Mayer bei einer Pressekonferenz am Dienstag zusammen mit Werner Kogler, Minister für Kultur und Sport (Grüne). In den Räumen von IRIS (Institutionen für Respekt und Integrität im Sport) stellten sie VERA* als Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kultur und Sport vor. Den Grundstein für das Beratungszentrum, das die Arbeit nun aufgenommen hat, bildet ein Nationalratsbeschluss aus 2021. Unter der „Dachmarke VERA* bieten zwei unabhängige Vereine den Opfern von sexueller Belästigung, Beleidigungen oder Gewalt Hilfe an: „100% Sport“, der sich für „Safe Sport“ und Genderkompetenz einsetzt, und die „Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt in Kunst und Kultur“. Die Subventionshöhe im Startjahr beträgt in Summe 350.000 Euro. Für die Filmschaffenden gibt es bereits seit Längerem die Anlauf- und Beratungsstelle #we_do!

Auf die Frage, wie mit Anschuldigungen umzugehen ist, deren Anlassfälle länger zurückliegen (solche gibt es gegen den deutschen Galeristen Johann König, der das „Kleine Haus der Kunst“ bespielt) antwortete Mayer: „Die Beratungsstelle ist nicht die Justiz. Es gibt daher keine Verjährungsfrist.“ TRENK

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