Karriere in der Nebenrolle

Frances McDormand (mit Richard Jenkins, re.) als schroffe Ehefrau und Mutter schmeißt in der Mini-HBO-Serie „Olive Kitteridge“ gerne das Abendessen in den Mistkübel
Frances McDormand bekommt einen Preis, und Fatih Akin scheitert mit "The Cut".

Auf Filmfestivals werden längst nicht mehr nur Filme gezeigt. Hochkarätige Fernsehproduktionen sind mittlerweile ebenfalls fixer Bestandteil der Festivalprogrammierung. So wurde Jane Campions Mini-Krimi-Serie "Top of the Lake" in Sundance und Bruno Dumonts Detektiv-Mehrteiler "P’tit Quinquin" zuletzt in Cannes erstmals gezeigt. Auch in Venedig beweist eine Produktion des Bezahlsenders HBO, dass Fernsehen manchmal das bessere Kino ist: "Olive Kitteridge" ist ein vierteiliges Prestige-Drama von Regisseurin Lisa Cholodenko ("The Kids Are Alright") und bringt seine famose Hauptdarstellerin Frances McDormand zum Funkeln. Die Oscarpreisträgerin ("Fargo") spielt nicht nur die Hauptfigur Olive Kitteridge, sondern tritt auch als Produzentin der Mini-Serie auf. In Venedig erhielt sie zudem am Montag einen Würdigungspreis.

"Ich bin jetzt 57 Jahre alt", verkündete McDormand, Ehefrau von Regisseur Joel Coen, bester Laune in Venedig: "Ich habe meine ganze Karriere an der Seite von Männern die Nebenrolle gespielt. Und wenn man älter wird, werden die Filmrollen weniger. Im Fernsehen kann man sich neu erfinden."

Tatsächlich ist ihr die Rolle der scharfzüngigen Mathematiklehrerin, die in einer Küstenstadt im US-Bundesstaat Maine mit ihrer schroffen Art Ehemann, Sohn und Schüler auf Trab hält, auf den Leib geschneidert.

Es beginnt mitten in der Ehekrise: Olive flirtet heftig mit einem Lehrerkollegen, während ihr Mann – der sanfte Richard Jenkins – in seiner Apotheke die Gehilfin anhimmelt. Beide unterdrücken ihre außerehelichen Gelüste und tragen ihre gespeicherten Aggressionen am Familientisch aus. Es vergeht kaum ein Abendessen, wo nicht mindestens ein Familienmitglied aufspringt und verbittert sein Nachtmahl in den Mistkübel schmeißt.

Frances McDormand als Haustyrannin mit dem weichen Kern ist gleichermaßen witzig und furchterregend. Wenn sie ihrer Schwiegertochter, einer aufgeblasenen Streberin, mit dem Leuchtstift die weiße Bluse versaut, bleibt man auf ihrer Seite. Aber dass der Sohn seine Mutter hasst, lässt sich ebenso gut nachvollziehen.

Regisseurin Cholodenko bietet McDormand die perfekte Bühne, ohne jemals ihre anderen Figuren aus den Augen zu verlieren. Meisterlich entwirft sie ein komisch-melancholisches Provinzpanorama und beobachtet mit großer Genauigkeit die Rituale der Familie und ihrer Nachbarn. Nach vier Stunden hat man noch lange nicht genug.

Kostüm

Karriere in der Nebenrolle
The Cut
Genaue Beobachtung ist das, was Fatih Akin fehlt. Der deutsche Regisseur mit den türkischen Wurzeln lieferte mit "The Cut" seinen mit Spannung erwarteten Wettbewerbsbeitrag und enttäuschte fulminant. So ehrenwert die Thematik von "The Cut" auch sein mag – erzählt wird von dem Völkermord an den Armeniern in der Türkei von 1915 – so wenig kann Akin seinen Stoff meistern. Ein junger Armenier – erstaunlich ausdrucksfrei gespielt von Tahar Rahim – macht sich auf die Suche nach seinen Töchtern. Ungelenk stolpert "The Cut" durch seine Drehbuchstationen – und Fatih Akins angestrebtes großen Historienkino verflacht zum Kostümfilm der Konventionen.

Die Wettbewerbsfilme

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