Festspiele: Im Würgegriff des Rechnungshofes

Festspiele: Im Würgegriff des Rechnungshofes
Der Rechnungshof übt in seinem 120 Seiten starken Rohbericht massive Kritik an den Salzburger Festspielen. Die brisanten Details dahinter.

Jedermann ereilt die Strafe Gottes, die Festspiele ereilt ein Rechnungshofbericht: 120 Seiten stark ist das Stück, das die Ordnungshüter der Steuerzahler in den vergangenen Monaten mit Akribie und Respektlosigkeit gefertigt haben. "Der Rechnungshof. Unabhängig. Objektiv. Wirksam", prangt auf Seite 1, oben rechts, gleich unter dem Logo. Die Kennzeichnung "Verschluss. Nicht für die Veröffentlichung bestimmt", steht darunter. 120 Seiten, an deren Ende der Präsident "für die Richtigkeit der Ausfertigung" bürgt. Gezeichnet: Der Rechnungshofpräsident. Dr. Josef Moser.

Im Jedermann, einem Mysterienspiel, agiert Mammon nur als Nebendarsteller. Im Rechnungshof-Rohbericht, der dem KURIER zur Gänze vorliegt, wird Pecunia allerdings eine tragende Rolle zugedacht. Es geht um einen fraglos fragwürdigen Umgang mit Steuergeld, um eine provokante Praxis bei Privilegien, um veritable Verstöße gegen Vergabegesetze, um intransparente In-sich-Geschäfte und - nicht zuletzt - um Barauszahlungen in Millionenhöhe.
Der KURIER beleuchtet die wichtigsten Kritikpunkte des Rechnungshofes. Ein schonungsloser Blick hinter die Maske der Festspiele.

Unvereinbarkeit

Festspiele: Im Würgegriff des Rechnungshofes

Wenn Frau Burgstaller Frau Burgstaller klagt
Es gibt Klagen, die dürfte es nicht geben. Doch sie gibt es. Bei den Salzburger Festspielen findet sich ein skurriles Exempel dafür: Einst klagte die Landeshauptfrau die Landeshauptfrau, Gabi Burgstaller also Gabi Burgstaller.
Die Ouvertüre: In den 1990er-Jahren führte die Gebietskrankenkasse bei den Salzburger Festspielen eine Beitragsprüfung durch. Ergebnis: Eine Nachforderung über 177.000 Euro, per Bescheid an den Salzburger Festspielfonds, dem statutengemäß der Salzburger Landeshauptmann vorsteht.
Klar, dass die Festspiele gegen diese Nachforderung berufen. Pikant: Sowohl für die Ausführung der Berufung als auch für die Entscheidung über die Berufung ist in Salzburg der Landesoberste zuständig. Dieser, damals Franz Schausberger, bleibt unerbittlich - und schmettert seine eigene Berufung ab.
Was nun? Es wird wieder berufen, diesmal ans Sozialministerium. Als diese Berufung erneut erfolglos bleibt, kommt 2004 die neue Landeshauptfrau Burgstaller ins Spiel. Auch sie ist einerseits Vertreterin der Festspiele, andererseits Berufungsinstanz im Abgabenverfahren. Der Rechnungshof stellt nun zu dieser unglaublichen Unvereinbarkeit auf Seite 32 seines Rohberichts trocken fest: "In einem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren vertrat die Landeshauptfrau beim Verwaltungsgerichtshof sowohl den Salzburger Festspielfonds als Beschwerdeführer, als auch sich selbst als belangte Behörde."

Eine Konstruktion, die laut Rechnungshof den Regeln der guten Unternehmensführung sowie den Leitsätzen der OECD widerspricht. Burgstaller, die bis zum Abschluss der Prüfung keine Stellungnahme abgeben will, ist als Kuratoriumsvorsitzende nicht nur im gesetzlichen Aufsichtsorgan der Festspiele, sie vertritt auch den Festspielfonds nach außen und ist als Landeshauptrau überdies zentrales Aufsichts- und Berufungsorgan. Darüber hinaus muss sie als Landeschefin die Festspiel-Defizite mit Steuermillionen ausgleichen.
Apropos Unvereinbarkeit: Wenigstens musste der Verwaltungsgerichtshof das ungleiche Duell Burgstaller gegen Burgstaller nicht entscheiden. Man hatte sich vorher verglichen.

Privilegien

Tue Gutes - und sprich nicht darüber
Der Rechnungshof hat das Innenleben der Festspiele schon öfter genauer besehen. Etwa 1986. Im Prüfbericht, der 1987 das Licht der Öffentlichkeit erblickte, kritisierte das Kontrollgremium u.a., dass es Zusatzpensionen für die Angestellten gibt, die letztlich der Steuerzahler zu berappen hat. Die Festspiele reagierten damals: Ab 1987 wurden keine betrieblichen Altersvorsorgen mehr gewährt. Es bestanden allerdings bereits derartig viele Zusatzpensionszusagen, dass sich die Aufwendungen für diese Altlasten in der Bilanz des Jahres 2009/2010 noch immer mit 1,26 Millionen Euro zu Buche schlugen. Das sind immerhin knapp zehn Prozent der jährlichen Gesamtzuschüsse des Steuerzahlers für das defizitäre Festival.

Seltsam: 22 Jahre, nachdem auf Druck des Rechnungshofes dieses Privileg abgeschafft worden war, führten die Festspiele eine neue betriebliche Altersvorsorge ein. Und zwar in Form einer neuen freiwilligen Sozialleistung für die Mitarbeiter. Verantwortlich dafür zeichnete 2009 das Direktorium.
Noch seltsamer: Das Direktorium der Festspiele holte die dafür laut Prüfern gesetzlich notwendige Genehmigung des Kuratoriums nicht ein.
Der Rechnungshof merkt dazu darüber hinaus an, "dass vergleichbare Kultureinrichtungen in Österreich ihren Beschäftigten keine derartigen Vergünstigungen gewähren."
Im Jänner 2011 wurden von der Festspielführung wenigstens die Zuschüsse zu den Krankenzusatzversicherungen eingestellt. Dem Rechnungshof ist das aber noch nicht genug: Alle Vergünstigungen, für die es keine gesetzliche Verpflichtung gibt, sollen eingestellt werden. Eine Empfehlung, der sich der Steuerzahler nur anschließen kann.

Kartenvergabe

Der kostenlose Hochgenuss der Hochkultur
Da soll noch jemand behaupten, die Salzburger Festspiele kümmerten sich nicht um eine gute Presse: Von 2005 bis 2010 wurden laut Rechnungshof jährlich zwischen 3800 und 5400 Tickets an Journalisten vergeben. Gratis versteht sich.
Das Problem war nur: Der Salzburger Festspielfonds erfasste die Daten der Kulturkritiker alphabetisch, die Artikel und Beiträge der Berichterstatter waren hingegen nach Stücken und also chronologisch dokumentiert. Was wiederum den kontrollierenden Rechnungshof vor ein Problem stellte: "Eine Zuordnung der Artikel zu den unentgeltlich abgegebenen Pressekarten war deswegen nur schwer möglich." Im Klartext: Der Rechnungshof wünscht sich, dass die Salzburger Festspiele nachvollziehbar dokumentieren, ob die großzügige Kartenvergabe zu großzügiger Berichterstattung führt. Die Datenbank bezüglich der Pressekarten und der Dokumentation der Artikel "ist so zu verknüpfen, dass die Wirkung der Vergabe von Pressekarten besser evaluiert werden kann."
Brisant erscheint auch der Umgang der Festspiele mit den Logen- und Dienstsitzen des Landes, wenngleich zumindest die fettesten Jahre vorbei sein dürften. Wurden 2005 noch stolze 1097 kostenlose Tickets für Logen- und Dienstsitze verteilt, sank diese Zahl bis 2010 auf 499 Freikarten. Dennoch kritisiert der Rechnungshof, dass "der Festspielfonds großteils keine vertraglichen Grundlagen für die kostenlose Zurverfügungstellung von Logen- und Dienstsitzen vorlegen konnte."
Besonders entspannt kommen freilich Besitzer von so genannten Repräsentationskarten in den Hochgenuss der Hochkultur. Dabei handelt es sich um Tickets für Personen, "deren Teilnahme an den Vorstellungen im künstlerischen oder wirtschaftlichen Interesse der Salzburger Festspiele lagen." Die Ausgabe erfolgte durch Anweisung der Präsidentin und des Intendanten der Festspiele, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Politiker wurden mit kostenlosen Karten der ersten Kategorie versorgt. In der Tat auffällig: Der Begehr der High Society nach hochwertigen Gratiskarten steigt kontinuierlich, zuletzt um 26,4 Prozent - auf 2600 Karten pro Jahr. Der Politikeranteil kletterte in den letzten fünf Jahren gar um 44,2 Prozent nach oben.
Trost spendet dem Steuerzahler der Umstand, dass es auch Besucher gibt, die für den Kulturgenuss tatsächlich zahlen. Allerdings subventioniert die öffentliche Hand bekanntlich auch jede Kaufkarte - mit gut 60 Euro.

Künstlergagen

Wenn nur die bare Münze zählt
Aus der Sicht von Kultur und Tourismus sind die Festspiele ein ordentlicher Gewinn. Doch in den Bilanzen und Büchern der Sommerspiele kann von einer Erfolgsstory keine Rede sein.
Bund, Land, Stadt und Salzburger Tourismusförderungsfonds mussten in den letzten sechs Jahren jährlich zwischen 13 und 17 Millionen Euro an Steuergeld zuschießen. Zwischen 2004 und 2010 hat sich alleine der Bundeszuschuss um beachtliche 31,2 Prozent erhöht. Detail am Rande: Die Statistik vermerkt im Schnitt 250.000 Besucher pro Jahr, jede Eintrittskarte wurde von der öffentlichen Hand zuletzt mit rund 60 Euro gefördert.
Besonders kurios muten in diesem Zusammenhang aber die Auszahlungsmodalitäten der operativen Festspielführung an: Zwischen 2004 und 2007 wurden jährlich zwischen 6,29 und 6,83 Millionen Euro an Honoraren und Gagen bar ausbezahlt. Satte Beträge, Cash auf die Hand!
Und dies, obwohl Dienstanweisungen des Kuratoriums (=Aufsichtsorgan) existieren, wonach Barzahlungen möglichst zu vermeiden sind. Eine Praxis, die an die Untiefen in der Halbwelt des Fußballs erinnert.
Auch im Jahr 2010 - unmittelbar nach dem Auffliegen des Osterfestspiel-Skandals - wurden immerhin noch 1,42 Millionen Euro in Bar übergeben.
Ein Steuersparmodell made in Mozartstadt? Die Salzburger Festspiele als heimliche Helfer bei Abgabenverkürzungen ausländischer Künstler?
Für die Publikumslieblinge gilt selbstverständlich ausnahmslos die Unschuldsvermutung.
Die Empfehlung des Rechnungshofs ist jedenfalls eindeutig: Honorare und Gagen sind "grundsätzlich nur noch zu überweisen."

Berateraufträge

Festspiele: Im Würgegriff des Rechnungshofes

Die freihändige Vergabe
Mangelnde Akribie kann dem Rechnungshof nicht vorgeworfen werden. Die gestrengen Prüfer haben auf der Ausgabenseite sogar die Festspielbewachung der Spielstätten unter die Lupe genommen. Immerhin waren die Kosten für diese kurzfristige Security-Maßnahme zwischen 2000 und 2010 um 61 Prozent auf jährliche 160.000 Euro angestiegen.

Der Hintergrund: Im Jahr 1960 (!) wurde mit einem Bewachungsunternehmen eine entsprechende Rahmenvereinbarung über die Bewachung des Großen Festspielhauses abgeschlossen. 50 Jahre lang hat die Firma also sorglos ein wachsames Auge auf die Spielstätte werfen dürfen. Erst 2010, kurz nach dem Ausbruch der Osterfestspiel-Affäre, wurde dieser Vertrag von den Festspielen erstmals rechtlich korrekt ausgeschrieben. Was prompt zu einer Kostenreduktion von 15 Prozent, immerhin 20.000 Euro, führte.

Übrigens: Die Salzburger Festspiele unterliegen dem Bundesvergabegesetz. Und haben sich darum offenbar kaum gekümmert. Bei zwölf Stichproben mit einem Ausgabevolumen von 1,62 Millionen Euro stachen dem Rechnungshof massive Gesetzesverstöße ins Auge.

Beispielsweise wurden Aufträge an Unternehmensberater (265.000 Euro) ebenso rechtswidrig vergeben wie die Produktion der Programmhefte, deren Kosten sich zwischen 2005 und 2010 auf erstaunliche 982.000 Euro beliefen.

Verträge

Das seltsame Regelwerk
Das Kuratorium der Festspiele ist durchwegs prominent besetzt: Neben dem Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden verfügt auch Landeshauptfrau Burgstaller über Sitz und Stimme. Eine der Aufgaben dieses Gremiums umfasst die Genehmigung sämtlicher Werkverträge, die 4282 Euro übersteigen.
Der Rechnungshof kritisiert nun, dass alleine 2009/2010 rund 70 Verträge von Künstlern ohne Genehmigung des Kuratoriums abgeschlossen wurden. Gesamtvolumen: stolze 1,36 Millionen Euro.
Warum die Führung der Festspiele dieser gesetzlichen Regelung nicht im Detail Folge geleistet hat?
Ganz offensichtlich aus praktischen Gründen. "Das Kuratorium würde ja wahnsinnig werden, würden wir bei 1000 Künstlern jeden Vertrag vorlegen", erklärt Präsidentin Helga Rabl-Stadler.

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