Festivalleiterin Krassnigg: "Das Theater laviert sich am Publikum vorbei"

Festivalleiterin Krassnigg: "Das Theater laviert sich am Publikum vorbei"
"Wortwiege"-Leiterin Anna Maria Krassnigg über die Regierungsbeteiligung der FPÖ, über Probleme des Theaters und die Entwertung des Begriffs "Freiheit".

"Ich bin gespannt, ob mutige, kontroversielle, unangepasste und wesentliche Kunst in NÖ weiterhin diesen hohen Stellenwert behält." Das sagt Anna Maria Krassnigg, die in Niederösterreich - genauer: Wiener Neustadt - mutige, unangepasste Kunst macht. Sie bespielt derzeit mit dem "Wortwiege"-Festival "Europa in Szene" (bis 2. April) die historischen Kasematten, einen lange brach gelegenen Ort, der nun mit Theater neu erweckt werden soll. Im KURIER-Gespräch äußert sich Krassnigg über die Probleme des Theaters, das "Unbehagen an der Kultur", die Entwertung des Begriffs "Freiheit" und die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Niederösterreich.

"Es widerstrebt meiner ganzen menschlichen und künstlerischen Haltung, dass eine Partei, wie die NÖ-FPÖ, die unwiderlegbar versucht, historische Wahrheit und Erinnerung - auch an ihre eigenen, ungeheuerlichen Aussagen - zu klittern und zu vertuschen, in eine solche Verantwortung gehievt wird", sagt Krassnigg. "Der Ausbau zu einem europäischen, weltoffenen, künstlerisch wagemutigen und kritischen öffentlichen Raum - gerade durch die Kunst - hat 30 Jahre Aufbauarbeit benötigt und auch international mit Recht Respekt erwirkt. Politik schafft kulturelle Wirklichkeit."

KURIER: Sie etablieren in Wiener Neustadt ein ganz neues Angebot – und das in einer Zeit, in der das Theater zwischen Performance und Stückzerschlagung insgesamt seinen Weg sucht. Das macht es nicht leichter, oder?

Anna Maria Krassnigg: Ich habe lange im Staatstheater gearbeitet, ich kenne diese Systeme gut. Aber ich glaube an das so nicht mehr. Ich suche ein Alternative. Da hat man in Wiener Neustadt bei diesem Festival ein tolles Experimentierfeld.

Wo muss man die Menschen heute erwischen? 

Das Wort „Geschichte“ war die letzten Jahre verfemt. Aber ich muss die Leute erreichen wollen – mit Themen, die sie interessieren. Die Trägerrakete dafür ist eine Geschichte, die kann alt, neu, sonstwie erzählt werden. Aber ohne die wird man Relevanz beim Publikum nicht erreichen. 

Was braucht es noch?

Einen Willen, mit dem Publikum zu kommunizieren. Dafür muss man ehrliche Formate erfinden, nicht alle möglichen Kanäle ein bisschen bespielen. Das Publikum merkt sehr deutlich, ob es auf einer Butterfahrt ist, oder ob es wirklich darum geht, miteinander in Austausch zu treten. Das fängt beim Raum an, und hat mit Spielplänen zu tun – ob man sich wirklich damit beschäftigt, was die Menschen interessieren könnte.

Noch bis 2. April in den Kasematten in Wiener Neustadt. Das Motto lautet „Gedankenfreiheit“. Am Programm standen bzw. stehen Friedrich Schillers „Don Karlos“, inszeniert vom jungen Regisseur David Paska; „Audienz“ von Vaclav Havel, darin geht es um die allgemeine Bespitzelung nach der Niederschlagung des Prager Frühlings (Regie: Florian Thiel), sowie Diskussionsveranstaltungen und klassische Reden.. Dabei performen Schauspielerinnen und Schauspieler historische und zeitgenössische Reden, von der Bergpredigt über Friedrich Schillers „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ und Max Reinhardts „Rede über den Schauspieler“.

Information und Tickets

www.europainszene.at

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