Falco: Ein Herz wie ein Löwe
Von Thomas Roth
Zu seinem 60. Geburtstag wird Österreichs international bedeutendster Popstar Falco zu Recht wieder in allen Medien gewürdigt und verehrt, auch der ORF und andere Fernsehstationen räumen ordentlich Sendezeit frei und feiern einen Künstler, dessen Werk und Persönlichkeit es wahrlich wert sind, in Erinnerung zu bleiben.
Dichtung
Selbst der Boulevard-Stil, bei dem man inzwischen nicht einmal mehr davor zurückscheut, auch noch Falcos "Fast"-Tochter vor die Kamera zu zerren oder gerade populäre Gegenwartskünstler kurz zu Wort kommen zu lassen oder auch neue, populistische Todestheorien zu konstruieren, kann – so scheint es, und das ist gut so – diesen Künstler nicht beschädigen. Zu stark sind noch heute seine Poesie, seine Stilsicherheit, seine Extravaganz.
Früh hat Hans Hölzel – und das ist sehr wesentlich – verstanden, dass aus ihm ein anderer werden muss, ein Falco, damit sich die Scheinwerfer der Welt auf ihn richten können. Und er hatte den Mut, diese Verwandlung konsequent zu inszenieren und aufzuführen – das bedeutend schwierigere Szenario.
Mit seinem frühen Unfalltod, im Alter von knapp 41 Jahren, hat er seiner Selbstinszenierung auch noch ungewollt die Krone aufgesetzt und mit seiner Todesbotschaft "Out of the Dark – into the Light" allen Mysterien und Legendenbildungen Tür und Tor geöffnet. Es mag seltsam erscheinen, am Geburtstag eines Künstlers an seinen Tod zu erinnern. Aber der gehörte einfach zu Falcos Leben, weil er einer war, der am Abgrund spaziert ist und dabei viel zu oft den Mut hatte, tatsächlich abzustürzen.
Irgendwann im Sommer 2007 stand ich an jener Stelle, an der Falco tödlich verunglückt ist, an der Hauptstraße nach Puerto Plata in der Dominikanischen Republik, und stellte mir vor, wie das Wrack des schwarzen Mitsubishi hier gelegen haben musste. Die Karosserie gut einen Meter verkürzt, die Fahrerseite völlig aufgerissen, das Lenkrad in mehrere Teile zerbrochen. Falco, der den schweren Verletzungen im Augenblick des Aufpralls erlegen sein muss, mit dem erschrockenen Ausdruck des plötzlichen Todes im Gesicht. Ein ganzes Künstlerleben breitete sich in diesem Moment vor mir aus, die Ups und Downs, die kleinen Schritte vorwärts und die vielen, großen Schritte zurück.
Das "sich selbst in Frage stellen", das Zweifeln und der im nächsten Moment grenzenlose Größenwahn. Das alles hat Hans Hölzel mehr als gelebt und das nicht nur ein Mal. Ich glaube, Falco hat nie auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet, was sein könnte, wenn er 60 Jahre alt würde. Diese Vorstellung tauchte in seinem Leben nicht auf. Daher ist es auch heute für uns völlig hinfällig, sich zu fragen, wo, was und wer er inzwischen wäre.
Wahrheit
In Wahrheit bleibt allein die Suche nach dem musikalischen Erbe Falcos interessant, nach den Jungen, die von ihm beeinflusst ihr Wien auf Heroin erschaffen, weil man "kein Weißes ohne Geld kriegt" und der "Schmäh net immer rennt" – "Willkommen im Dschungel"! Diese Fährtenleser sind jetzt die wahren Behüter des Falco’schen Nachlasses, sie sind die, die ihn verstanden haben und aus seinen Wortgebilden neue, selbstverstümmelnde oder todessehnsüchtige Zeilen erschaffen. Er war einer von ihnen, und durch sie wird er bestimmt noch lange weiterleben, über diesen, seinen 60. Geburtstag hinaus, bis alles Schall und Rauch oder sein Herz für immer gebrochen ist. Denn das geht bekanntlich so lang’ zum Messer, bis es sticht.
Der Autor und Regisseur
Thomas Roth, geboren 1965 in Graz, zählt zu den wichtigsten Filmemachern im deutschen Sprachraum. Er arbeitet ebenso fürs Kino („Blutrausch“, „Falco“, Brand“ etc.) wie fürs Fernsehen („Tatort“, „Trautmann“, „Kommissar Dupin“ u. v. a.).
Der Film
„Falco – Verdammt wir leben noch!“ zählt mit 154.980 Besuchern zu den zehn erfolgreichsten österreichischen Kino-Spielfilmen der vergangenen zehn Jahre. Regie/Buch: Thomas Roth. Mit Manuel Rubey (Falco), Nicholas Ofczarek (Markus Spiegel).
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