Ginge es nach der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland, der Präsidentin der Europäischen Filmakademie, hätten Kreutzer und Krieps große Chancen auf den Sieg: „,Corsage‘ ist ein wunderbarer Film, mit einer wunderbaren Hauptrolle für Vicky Krieps“, schwärmte Holland im KURIER-Gespräch: „Ich fand ihn sehr inspirierend.“
In der Kategorie „Europäische Entdeckung“ geht die Wiener Regisseurin Kurdwin Ayub mit „Sonne“ an den Start. Auch in der Sektion Kurzfilm findet sich ein österreichisch-deutscher Beitrag mit „Will My Parents Come To See Me“ des in Somalia geborenen Regisseurs Mo Harawe. Für den österreichischen Film war das Jahr 2022 also ein durchaus starkes Jahr.
Aber wie geht es dem europäischen Kino insgesamt? Infolge der Pandemie und der geschlossenen Kinos gab es einen massiven Publikumseinbruch bis zu 70 Prozent. Nun verzeichnet die Branche wieder einen langsamen Aufschwung. Aber kann sich der europäische Film behaupten im Angesicht von Besucherschwund, der Konkurrenz von amerikanischen Blockbustern und großen Streamingdiensten?
Der Niederländer Matthijs Wouter Knol, ehemals Direktor des Europäischen Filmmarkts, ist 2021 als neuer Geschäftsführer und Direktor der Europäischen Filmakademie angetreten. Ein denkbar schwieriger Zeitpunkt, wenn man an Pandemie, Krieg und Energiekrise denkt: „Als ich den Job übernommen habe, war die Verunsicherung auf allen Ebenen groß“, sagt er zum KURIER: „Die Hauptfrage war: Wie wird das europäische Kino diese Krise überleben?“
Die Branche befinde sich, schon länger in einem Wandel, der durch den Ausbruch der Pandemie stark beschleunigt wurde. Stichwort: Streaming. Was nun die Produktion von Content anbelangt, konzentriert sich beispielsweise Netflix derzeit stark auf Europa und bringt sein eigenes Budget mit. Doch auch wenn Goldgräberstimmung herrscht, sieht Knol diese Entwicklung mit Sorge, besonders, was die Sicherung von Urheberrechten betrifft.
Dazu gibt es bisher keine einheitliche Regelung, weil Netflix mit jedem Land andere (geheime) Verträge abschließt und größtes Interesse daran hat, sich die Rechte für immer zu sichern. Unabhängige Produzenten würden dadurch in Abhängigkeit geraten: „Die derzeitigen Entwicklungen machen mich fassungslos“, meint Knol: „Das sind Probleme, auf die eine europäische Antwort gefunden werden muss, um unseren Content zu schützen.“
Bei der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Fördergebern habe sich viel geändert: „Seit der Pandemie, aber auch seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges hat man gemerkt, dass es eine große Bereitschaft der Länder und der Förderer gibt, gemeinsame Lösungen zu finden und enger zusammenzuarbeiten. Beim Filmpreis geht es auch immer darum, dass wir uns als Europäer näherkommen und voneinander lernen. Gerade heute ist es in Europa wichtig, weiter Empathie füreinander zu entwickeln.“
Hand in Hand damit sieht Matthijs Wouter Knol eine ganz besonders wichtige Aufgabe der Europäischen Filmakademie darin, das europäische Kino näher an sein Publikum zu bringen: „Das ist die größte Herausforderung: Dass die Filme schlicht nicht zu sehen sind. Natürlich sollen die Leute ins Kino gehen, aber ganz ehrlich: Man muss auch dafür sorgen, dass die Filme auf unterschiedlichen VOD-Plattformen angeboten werden. Das Ziel ist es, europäische Filme sichtbarer und zugänglicher zu machen.“
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