Wo sich früher viele Menschen in den Potsdamer Platz Arkaden tummelten, herrschst jetzt tote Hose. Die Geschäfte der einst belebten Shopping Mall wurden geschlossen, die Rollläden herunter gelassen – zwecks umfänglicher Sanierung. Zwar stehen in den Arkaden immer noch Menschenschlangen an den Schaltern, um Eintrittskarten für die Berlinale zu ergattern. Doch sie nehmen sich in den evakuierten Gängen recht einsam aus.
Im Club Theater am Potsdamer Platz, wo früher die Eröffnungs- und Abschlusspartys der Berlinale stattfanden, treten jetzt Männer-Stripper in der Show „Magic Mike“ auf. Und auch Presseräume für Journalisten wurden umgesiedelt. Wer schnell seine Artikel in die Tasten hacken möchte und den Presseraum dafür sucht, muss sich durch eine versteckte Hintertür in ein großes Bürogebäude schleichen. Der Eingang ist praktisch nur für Insider auffindbar. Kein Wunder, dass der Raum anfänglich recht leer bleibz: Er braucht noch ein wenig Mundpropaganda.
Allen Widrigkeiten zum Trotz gelang der neuen Berlinale-Führung ein glamouröser Auftakt. „Alien“-Star Sigourney Weaver marschierte über den roten Teppich, gemeinsam mit Margaret Qualley, Tochter der US-Schauspielerin Andie MacDowell („Green Card“). Die beiden Schauspielerinnen präsentierten den Eröffnungsfilm „My Salinger Year“ des französisch-kanadischen Regisseurs Philippe Falardeau.
Nun haben Eröffnungsfilme der Berlinale schon des längerem nicht den besten Ruf. Auch „My Salinger Year“ ist kein Meilenstein der Filmgeschichte; stattdessen wählte Carlo Chatrian einen „Film der Herzen“: Sigourney Weaver spielt die strenge Literaturagentin des legendären US-Schriftstellers J. D. Salinger, der für sein Jahrhundertbuch „Der Fänger im Roggen“ auch in den 1990er Jahren noch heftig Fan-Post bekommt.
Faradeaus liebevoller, altmodisch inszenierter Coming-of-Age-Film basiert auf den Memoiren von Joanna Rakoff und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die einen Job in einer renommierten New Yorker Literatur-Agentur bekommt. Der Star der Agentur ist Salinger: Wenn er anruft, geht sogar die eiserne Chefin in die Knie.
„Ich mochte an dem Film, dass er eine Hommage an das alte, literarische New York ist“, erzählt Sigourney Weaver bei der Pressekonferenz in Berlin: „Die Agentin, die ich spiele, bewegt sich wie ein Dinosaurier in diesem Milieu.“ Doch „My Salinger Year“ ist auch eine Hommage an Salingers Fans, die sich in rührenden Leserbriefen verausgaben. Leider verbittet sich der Autor Fan-Post; gnadenlos wird sie von der Assistentin geschreddert.
Margaret Qualley lieferte bereits in Quentin Tarantinos „One Upon A Time ... In Hollywood“ eine irrwitzige Performance als Hippie-Teenie. In „My Salinger Year“ kommt sie vergleichsweise brav daher. Doch auch als Assistentin in Blümchenbluse bleibt sie mit ihrer fiebrigen Energie ein echter Hingucker.
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