Eröffnung der "Buch Wien" mit politischem Beigeschmack

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Die Buchmesse "Buch Wien" ist eröffnet. Die Eröffnungsrede des deutschen Politikwissenschaftlers Herfried Münkler kreiste um den Ukraine-Krieg.

Die vierzehnte Buchmesse "Buch Wien" ist am Mittwochabend in der Halle D der Messe Wien eröffnet worden. 326 Aussteller sind vertreten. Bis Sonntag (27. November) sind über 500 Mitwirkende aus 28 Nationen angekündigt, die sich in 402 Veranstaltungen auf sechs Messebühnen und 19 Veranstaltungsorten in der Stadt den "großen Herausforderungen der Gegenwart" widmen. 

"Die Messen sind der Pulsschlag der Branche. Ohne Messen würden uns die wichtigsten Taktgeber fehlen", sagte Benedikt Föger, der Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels, und begrüßte bei der "größten Buch Wien seit ihrer Gründung" auch Oliver Zille, den Direktor der Leipziger Buchmesse, wo Österreich im Frühjahr einen großen Gastlandauftritt absolvieren wird. Föger erinnerte aber auch an die wirtschaftlich schwierige Situation der Branche: "Jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir wirklich Unterstützung brauchen."

Seitens der Politik wurde diese Unterstützung versprochen. Man sei ein stabiler Partner, betonte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne), das Buch habe sich "als besonders krisenfest" erwiesen. "Wir sind nicht nur gesellige Wesen, wir sind auch süchtig nach Geschichten." Man werde Bücher und Geschichten auch brauchen, um zu verstehen, wie sich die Pandemie ausgewirkt habe, was der Ukraine-Krieg bedeute oder was es heiße, als Frau im Iran zu leben. "Das Lesen von Büchern bedeutet ein langsamer Werden, ein Nachdenken", hob auch Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hervor.

Eröffnungsrede

Die Eröffnungsrede hielt Herfried Münkler. Der 71-jährige deutsche Politikwissenschafter ("Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918", "Der Dreißigjährige Krieg", "Marx, Wagner, Nietzsche. Welt im Umbruch" u.v.a.) ist auf der Buchmesse mit seinem neuen, in der Reihe "Auf dem Punkt" des Brandstätter Verlag erschienenen Buch "Die Zukunft der Demokratie" vertreten. Dort analysiert er die prekäre Lage der Demokratien, die aus verschiedenen Gründen stark unter Druck geraten seien: "Eine Demokratie ohne Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist nicht überlebensfähig - wenn sie eine Zukunft haben soll, müssen vor allem in diesem Bereich neue Ansätze entwickelt werden."

Seine Eröffnungsrede kreiste jedoch um den Ukraine-Krieg, der den Abschied von der "Vorstellung einer regelbasierten, auf Werten begründeten und von Normen getriebenen Weltordnung" bedeutet habe, und um die künftigen geopolitischen Herausforderungen. Pikant dabei: Im Vorjahr war Russland das erste Gastland in der Geschichte der "Buch Wien". "Welches Gastland wäre mehr geeignet als Russland - die Großmacht der Weltliteratur?", hatte Föger damals gefragt. Heute gab er sich zuversichtlich, doch selbstkritisch: "Bekanntlich ist meine politische Urteilskraft nicht immer ganz zuverlässig, wie man im vergangenen Jahr gesehen hat."

Münklers heutige Rede trug den Titel "Enttäuschungsverarbeitung. Der bittere Weg in eine andere Weltordnung und die mögliche Rolle Europas dabei". Die EU müsse wieder zum "politisch handlungsfähigen Akteur" werden und einsehen, dass das "Weltordnungsprojekt" des "Frieden Schaffens mit immer weniger Waffen" gescheitert sei. Mit den Vereinten Nationen, die grundlegend reformiert werden hätte müssen, "werden wir nicht rechnen können, wenn es ernst wird". Putin habe sich "verkalkuliert, denn weder hat das russische Militär innerhalb weniger Tage die gesamte Ukraine besetzen können noch hat der Westen darauf verzichtet, nachhaltige Sanktionen gegen Russland zu verhängen". Anderseits sei "seit dem russischen Drohen mit einer nuklearen Eskalation auch die Hoffnung auf eine weitreichende Verringerung der Atomwaffen dahin".

Münklers Folgerungen: "Militärische Macht wird wieder eine deutlich größere Rolle spielen, die Sicherung des Friedens vom Westbalkan bis zum Kaukasus unter Einschluss der Ukraine wird uns EU-Europäern erhebliche Ressourcen abverlangen, und all das hat zur Folge, dass die Europäer wohl auf Jahrzehnte hinaus den Höhepunkt ihres Wohlstands überschritten haben dürften. Zusammengefasst: Der Erwartungshorizont, den wir noch zu Beginn des Jahres vor uns hatten, hat sich in Nichts aufgelöst."

Es entwickle sich eine neue Weltordnung "von fünf großen Mächten, die nach den Grundsätzen von Gleichgewicht und Übergewicht aufeinander einwirken". Diese seien die USA und China, die EU und Russland als "jeweilige Juniorpartner" sowie Indien als "Zünglein an der Waage". Dazu würden künftig auch immer wieder Allianzen mit Staaten eine Rolle spielen, "die nicht zu der beschriebenen Pentarchie gehören: denen in Südostasien und in Lateinamerika, in Afrika und in der islamischen Welt". Das Ringen um deren Unterstützung habe bereits begonnen. "Effektive Enttäuschungsverarbeitung läuft darauf hinaus, sich auf diese Neuformatierung der politischen Konstellationen so schnell wie möglich einzustellen - und wer dabei sich zu viel Zeit lässt, hat schon verloren", schloss Herfried Münkler.

Gäste

Unter den prominenten Gästen, die in den kommenden Tagen erwartet werden, befinden sich Juri Andruchowytsch, Marlene Streeruwitz, Robert Menasse, Sofi Oksanen, Michael Köhlmeier, Andreas Vitásek, Ursula Poznanski und Michael Niavarani. Die Gewinnerinnen des Österreichischen Buchpreises, Verena Roßbacher, und des Debütpreises, Lena-Marie Biertimpel, sind morgen, Donnerstag, um 15 Uhr auf der ORF-Bühne zu Gast. Im Vorjahr lockte die "Buch Wien" 41.000 Besucherinnen und Besucher an.

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