Engelbert Humperdinck über letzte Walzer und Nächte in Telefonzellen
Es gab Zeiten, da musste sich Engelbert Humperdinck die Nächte im Freien um die Ohren schlagen. Sie sind lange vorbei. Bis heute hat der britische Sänger 140 Millionen Platten verkauft. Am 3. September gastiert er mit seiner „The Last Waltz“-Tour im Wiener Konzerthaus und wird dabei alle seine Hits, von „A Man Without Love“ über „Spanish Eyes“ bis hin zu „The Last Waltz“, singen.
Nächte am Klo
Dass seine fast 60-jährige Karriere auf großen Entbehrungen und schweren Rückschlägen aufgebaut ist, nimmt der 88-Jährige im Interview mit dem KURIER gelassen: „Ja, ich musste auf Parkbänken oder in Telefonzellen übernachten“, erinnert er sich. „Auch in öffentlichen Toiletten. Da habe ich ein paar Cent reingeschmissen und konnte schlafen. Ich bin damals an den Wochenenden immer in den Norden Englands gefahren, um in Arbeiterklasse-Clubs zu singen. Die konnten nicht viel zahlen, und ich wollte nicht die ganze Gage für ein Zimmer ausgeben, wollte das Geld in Gewand für die Bühne investieren. Das habe ich aber nicht lange so gemacht.“
Geboren wurde Engelbert Humperdinck als Arnold George Dorsey am 2. Mai 1936 in Madras in Indien, als Sohn eines dort stationierten britischen Armeeoffiziers. Als er zehn Jahre alt war, übersiedelte die Familie nach Leicester.
Humperdinck begann, sich für Musik zu interessieren und Saxofon zu lernen, spielte bald in Clubs. Das Singen entdeckte er erst mit 17 Jahren für sich: „Ich war in einem Club, wo alle sangen. Also dachte ich, ich probiere das auch. Danach kamen lauter Agenten auf mich zu und fragten, ,Wer ist dein Manager?’ Erst da habe ich gemerkt, dass ich bei einem Vorsingen für Gesangstalente war.“
Es dauerte noch mehr als zehn Jahre, bis Humperdinck mit dem Song „Release Me“ seinen ersten Hit hatte. An das Aufgeben, sagt er, dachte er in all der Zeit trotzdem nie. Nicht einmal, als er mit Mitte zwanzig in einem feuchten Kellerloch in London wohnte, dort im Schlafsack auf dem Boden schlief und obendrein noch Tuberkulose bekam. „Das hat mich zwei Jahre gekostet. Denn damals gab es für Tuberkulose noch keine Behandlung. Ich musste sechs Monate im Spital auf dem Rücken liegen und hoffen, dass ich mich erholen werde. Danach war ich ein Jahr rekonvaleszent. Und danach hat es sechs Monate gedauert, bis ich wieder singen konnte. Am Anfang ging nur ein Song. Aber ganz langsam nach und nach konnte ich die Stimmbänder wieder stärken.“ Der Durchbruch gelang 1967 mit dem Künstlernamen. Humperdinck hatte den Manager von Tom Jones gebeten, auch ihn zu betreuen. Der wollte zuerst nicht, entschied sich in einer betrunkenen Nacht aber um. Neben sich hatte er eine Platte des deutschen Spätromantik-Komponisten Engelbert Humperdinck und dachte, mit diesem Namen kann ich einen Star aus Arnold Dorsey machen. „Ich wusste damals nicht, dass es diesen Komponisten gab, dass er die Märchenoper ,Hänsel und Gretel’ geschrieben hatte“, erinnert sich der Sänger. „Ich dachte nur, das ist ein langer, eigenartiger Name. Das klingt ja wie Pumpernickel. Aber ich nahm ihn an.“
Mit dem neuen Namen ging es mit der Karriere bergauf. Humperdinck hatte bald auch in den USA Erfolg, lebt heute vorwiegend in Los Angeles und hat seine 64 Gold- und 35 Platin-Auszeichnungen auf beide Häuser verteilt: „Die Awards für meine britischen Alben hängen in meinem Haus in England, die internationalen und amerikanischen habe ich hier in Los Angeles. Und alle hängen sie an den Wänden – weil es mir große Freude macht, sie zu sehen.“
Aber nicht nur an die Erfolge erinnert sich Humperdinck gerne. Auch der Gedanke an seine enge Freundschaft mit Elvis Presley, der für ihn wie ein Bruder war, zaubert ihm ein Lächeln ins Gesicht: „Elvis war so ein wunderbarer Mensch. Und als Künstler für mich die Nummer eins. Ich habe so viel von ihm gelernt, alleine dadurch, dass ich ihn auf der Bühne beobachtet habe. Ich habe von ihm kleine Gesten und Bewegungen gestohlen. Und die Idee, das eigene Image nicht zu ernst zu nehmen. Elvis hat sich immer über seines lustig gemacht. Das tat ich auch – was mit diesem Künstlernamen nur logisch war.“
In England lebte Humperdinck eine Zeit lang neben den Beatles, die alle in derselben Gegend wohnten. Damals hatte er aber keinen Kontakt: „Ich habe immer nur ihre Autos raus und reinfahren gesehen. Ich habe später Paul und Ringo getroffen, aber nie George oder John. Aber mein Hund hat sich damals immer Essen aus John Lennons Haus gestohlen.“
Doch die Zukunft ist ihm wichtiger als die Vergangenheit. Dass er heute auch bei jungen Leuten beliebt ist, begeistert Humperdinck. Der Grund: Seine Songs tauchen immer wieder in aktuellen Serien auf und finden so neue Fans. Zusätzlich ist er auf Facebook und Instagram präsent und es liebt auf YouTube, seine „TuesdayMuseday“-Videos zu posten. Im Moment arbeitet er gerade an einem Album, für das er Rocksongs von Aerosmith oder Journey in seinem Stil interpretiert. Und er hat diese Tour nur mit einer Unterzeile „Farewell-Tour“ genannt. „Ich weiß nicht, ob es tatsächlich die letzte Tour ist“, sagt er. „Indem sie ,The Last Waltz’ heißt, haben wir das offengelassen. Denn die letzte Zeile des Songs ist: ,Der letzte Walzer wird ewig dauern!’“
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