ELOquenter Auftritt: Jeff Lynne’s Electric Light Orchestra in Wien
Im Londoner Hyde Park ist er im September 2014 bei einem ausgiebigen Bad in der jubelnden Menge wieder auf den Geschmack gekommen. Jeff Lynne, vor bald 71 Jahren in Birmingham zur Welt gekommen, jener Mann, dessen Gesichtsausdruck sich unter Locken, hinter Bart und angeborener Sonnenbrille nur vermuten lässt, grinste vor Glückseligkeit. Wahrscheinlich.
Sie wollten ihn tatsächlich noch hören. Ihn und sein Electric Light Orchestra, die es mit klassischen Elementen schamlos flirtend zur verlässlichen Hitschleuder der 1970er- und 80er gebracht hatten. Also warum nicht alte Zeiten aufleben lassen, sich – wie es in die Jahre gekommene Rockstars gerne tun – mit attraktiven Musikerinnen verjüngen und auf Konzertreise gehen? Jeff Lynne’s ELO, als insgesamt 14-köpfiges Ensemble wahrlich ein Orchester, gastierte am Sonntag in der Stadthalle.
„Standing in the Rain“, „Evil Woman“, „All over the World“ eröffnen das stets gleiche Programm auf einer von Lobeshymnen begleiteten Tour. Nummern, die wie damals klingen, präzise, ohne Drang zur Improvisation, als hätte man soeben das Radio aufgedreht. Die große Geste ist des Meisters Sache nicht, die große Rede noch weniger. Er freut sich hier zu sein, anerkennt Wiens Großartigkeit und schweigt sich sonst durch den professionell gestylten Abend.
Gefühlsfänger
Dankbar beklatscht das Publikum den hohen Wiedererkennungswert, den Soundtrack zu manch nostalgischer bis melancholischer Befindlichkeit. „Livin’ Thing“, „Telephone Line“ erlauben sehnsüchtige, feucht verschwommene oder im Falle der Unentschlossenheit in der Leere endende Blicke.
Na gut, man hat das alles schon in den Siebzigern gerne gehört, aber nicht zugegeben. Damals, als der zur bedingungslosen Progressivität abgehärtete Musikkonsument beim Verlassen des Plattenladens in Erklärungsnotstand geriet, nur weil dieser verdammt illoyale Plastiksack die vollständige Überdeckung des Schriftzugs „ELO“ verhinderte.
Jeff Lynne, der gerne so traurig singen möchte wie Roy Orbison, war schließlich immer da, wenn man ihn brauchte. Er selbst, samt Orchester, zwischendurch als leitendes Mitglied der Traveling Wilburys, als leicht identifizierbarer Produzent von George Harrison, Tom Petty und anderen Größen. Manchmal eine beharrliche Gratwanderung, doch locker verzeihbar blieb das Abrutschen in seltene Peinlichkeiten. Vor drei Jahren sprach Jeff Lynne, der große Schweiger: „Ich suche in der Musik nach dem Beseelten, Gefühlvollen, nicht nach Technik.“
Auch die nach Melodienseligkeit trachtende Wiener Werkschau des Electric Light Orchestras hat die Chance nicht vergeigt, den Erinnerungen der Konzertbesucher auf die Sprünge zu helfen.
Rasanter Abgang
Begeistert stehen sie auf zum kollektiven Tanz bei „ Don’t Bring Me Down“, als Jeff Lynne und Begleitung in das temporeiche Finale einer mit 90 Minuten eher knapp bemessenen und unvollständigen Hitparade einbiegen. „Turn to Stone“, „Mr. Blue Sky“ lässt grüßen, die Aufforderung „Roll over Beethoven“ ist würdiger, konditioniert schicksalsträchtiger Ausklang. Schlussakkord.
Welches Resümee zog selbst der singende Zyniker Randy Newman am Ende seiner „Story of a Rock ’n’ Roll Band“? „I love that ELO“.
Nein, es gibt eigentlich keinen Grund, ihm nicht zu glauben.
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