Sie haben bereits viel erlebt, fuhren mit zehn Jahren von Oberösterreich mit dem Zug nach Wien, um ihre Mutter zu suchen. Mit 20 ging es nach Paris – mit nur 700 Schilling in der Tasche. Was war der Plan?
Ich bin nach meinem Modestudium in Hetzendorf nach Paris gegangen, weil ich mit Mode zu tun haben wollte. In Wien war das damals nur eingeschränkt möglich. Da ich kaum Geld hatte, habe sofort nach der Ankunft angefangen, alle Modehäuser durchzutelefonieren, weil ich einen Job brauchte. Lanvin hat mich genommen – und da war ich dann Model. Dann habe ich auch angefangen zu fotografieren, zunächst mit John Cook, der mir seine Kameras zur Verfügung gestellt hat. Denn eine eigene konnte ich mir nicht leisten.
Das wäre heute nicht mehr möglich.
Auf keinen Fall, denn es gibt so viele Menschen, die Models werden wollen. Und dank Heidi Klum und ihrer Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ haben viele Jugendliche ein völlig falsches Bild von der Modebranche.
Sie schauen "Germany’s Next Topmodel"?
Ich hab mir zwei, drei Folgen für ein paar Minuten angeschaut, länger hätte ich das nicht ausgehalten. Was ich gesehen habe, war erschreckend und vollkommen absurd. Ich finde das total unmöglich, was Heidi Klum den Zusehern, den hauptsächlich jungen Mädchen , da für eine Welt vorgaukelt.
Nach Paris ging es für Sie weiter nach New York, wo Sie viele Jahre gelebt haben. Nun sind Sie zurück in Wien. Vermissen Sie den „Big Apple“?
Für mich war die Zeit in New York großartig. Ich habe dort viel gesehen, gelernt und erlebt. Das wäre in Wien alles nicht möglich gewesen – dafür muss man raus aus Österreich. In New York und in den USA gab es, gerade was Mode und Fotografie betrifft, schon damals eine unglaubliche Konzentration von wirklich guten Arbeiten – und natürlich auch eine enorm große Bandbreite an unterschiedlichsten Magazinen, für die ich arbeiten konnte.
Langweilt Sie Wien nicht?
Nein, überhaupt nicht. Ich kann auch jederzeit woanders hinfahren, wenn ich will. Außerdem passieren in Wien ja auch einige spannende Dinge. (lacht)
Bekommt die Kunstform Fotografie in Wien, in Österreich jenen Stellenwert, den sie verdient?
Naja, wir bekommen ja jetzt endlich einmal ein Fotomuseum in Wien. Das ist auf jeden Fall schon mal etwas Positives. Es gibt in Österreich auch viele Menschen, die sich ausgezeichnet auskennen, sich seit Jahren mit Fotografie befassen. Es mangelt auch nicht an interessanten jungen Fotografinnen und Fotografen. Das Problem war und sind nur die fehlenden Bühnen, auf denen sie sich präsentieren können. Daher sind eigentlich viele dazu gezwungen, ins Ausland zu gehen, für ausländische Medien zu arbeiten.
Gibt es in der Fotografie so etwas wie den weiblichen Blick?
Das ist schwierig zu beurteilen. Eher nicht, würde ich sagen. Denn es gibt ja auch keinen explizit männlichen Blick? Natürlich gibt es Unterschiede, unterschiedliche Herangehensweisen, andere Blickwinkel, aber das ist immer ein persönlicher Blick auf etwas. Wenn Sie und ich jetzt dort auf dieses Bild schauen, dann sehen wir beide zwar dasselbe, aber eben mit anderen Augen. Das, was man sieht, ist immer eine Synthese von allem, was einen ausmacht.
Sie hatten bereits unzählige große Persönlichkeiten vor der Linse. Gab es Stars, die Sie im Nachhinein betrachtet positiv bzw. negativ beeindruckt haben?
Besonders negativ überrascht hat mich der Schauspieler Ben Stiller. Der hat mir beim Shooting keinerlei Freiheiten gelassen. Im Gegenteil zum Schauspielkollegen Benicio del Toro. Der kam einfach ohne Manager ins Studio und hatte offensichtlich keine Ambitionen, besonders toll auszusehen. Er war total uneitel und unkompliziert. Er war einfach er selbst. Und das machte ihn dann auch so besonders.
Zur Person: Die gebürtige Oberösterreicherin Elfie Semotan (81) ist eine der begehrtesten Fotografinnen der Welt. Sie hatte Stars aus den Bereichen Kunst, Mode und Film vor der Linse und veröffentlichte ihre Bilder in Magazinen wie „Vogue“, „Elle“, „Harper’s Bazaar“ und „The New Yorker“. Neben einer fulminanten Karriere zwischen Paris, New York und Wien hat sie zwei Kinder groß-gezogen. Mehr über das Leben und Schaffen von Elfie Semotan können Sie in der Autobiografie „Eine andere Art von Schönheit“ (Brandstätter Verlag) nachlesen.
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