So entwickelte sich der Sound, der von dem metallischen, auf Bässe und Perkussion fokussierten Klangbild, aber auch von Bargelds Rezitationen seiner präzisen und häufig dystopischen Lyrik geprägt ist.
Auch in der Arena wird dieses Konzept gleich zu Beginn deutlich: Viele Songs beginnen mit einfachen Rhythmen. Mehr und mehr Instrumente und tönende Gegenstände kommen dazu, steigern die Spannung des Stücks bis hin zu einem furiosen Finale. Genauso baut sich die Show in diesem ersten Drittel auf: „Wedding“, der vom Helikopter beschädigte Song, ist ein ruhiger Einstieg mit pulsierendem Beat und Bargelds melodiösen Spielereien mit der Aussprache des Namens des Berliner Bezirks. Später kommen Songs mit immer mehr Brüchen und Kanten. Das steigert die Spannung, während die perkussive Basis schleichend und fast unbemerkt fordernder und intensiver wird und damit meditatives Trance-Flair in das Arena-Areal zaubert. Dahinter geht noch dazu gerade die Sonne rötlich-orange unter und der – wie Bargeld bemerkt – „Erdbeer-Supermond“ auf.
Ein erster Höhepunkt ist „Sonnenbarke“ vom 2020 erschienen Neubauten-Album „Alles In Allem“, das die Band hier komplett in das Programm eingebaut hat. Dynamisch wechseln Phasen von laut und leise, depressiv-zurückgezogen und hysterisch-schreiend, alles erst kaum und dann mit voller Wucht instrumentiert. Gepaart mit Bargelds dämonisch-hypnotischer Beschwörung „Komm mit mir“ sorgt das für Gänsehautmomente.
Zum Einsatz kommt bei „Sonnenbarke“ auch eine große Walze, die dicht mit Metall-Stacheln besetzt ist. Die Musiker entlocken dem Ding die schönsten Engelstöne.
Sie klopfen an anderen Stellen auf Eisenplatten oder einem Einkaufswagen herum, spielen ganze Melodien damit. Mit Lumpen und Nägeln gefüllte Taschen begleiten den Song „Taschen“. Und einmal lässt Bargeld Metallstäbe fallen, was einen klingelnden, glitzernden Windspiel-Klang ersetzt.
All das verbinden die Einstürzenden Neubauten mühelos mit Gitarre, Bass und Keyboard, klingen damit mal nach Techno und dann wieder wie eine Industrial-Band – immer ohne Computer einsetzen zu müssen. Die die dürfen nur gelegentlich Streicher imitieren.
Zwar gibt es in der Mitte der Show einen kleinen Stimmungsabfall. Doch spätestens ab dem fast zum Schunkeln geeigneten „Am Landwehrkanal“ ist das Konzert wieder Spannung pur.
Das verträumte „Susej“ und „Redukt“, das zwischen dem zu ein paar Beckenschlägen gesprochenen Text und vehement wütenden Lautstärke-Ausbrüchen pendelt, sind eindrucksvolle Beweise dafür, dass sich die Einstürzenden Neubauten über die 40 Karriere-Jahre sowohl ihre Relevanz, als auch die wohltuende Sturheit erhalten haben, sich keine Sekunde lang dem Diktat von Mainstream und Marktanforderungen zu beugen. Sie spielen als einzige in ihrer eigenen Liga. Und das immer noch hervorragend.
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