„Es gibt einen Bruch der Gesellschaft und des sozialen Gefüges und diese Spaltung existiert schon lange. Nur ist sie jetzt, wohl auch befeuert durch die Covid-Krise, sichtbar zutage getreten. Da wurde rasch klar, dass sich die Reichen weiter ungeniert bereichern und die Armen immer ärmer werden und zum Teil ganz auf der Strecke bleiben“, sagt sie zum KURIER. „Es steigt die Wut, weil diese unterprivilegierten Menschen das Gefühl haben, dass man ihren Anliegen gegenüber blind und taub ist. Das befeuert den Frust. Die Menschen glauben nicht mehr an die Phrasen der etablierten Politik und wenden sich daher den Extremisten zu.“
Die Teilung der Gesellschaft sei nur schwer zu überwinden: „Die Wahl zwischen Macron und Le Pen war eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Obwohl sich die extreme Rechte selbst eine Grenze auferlegt hat, nicht zu scharf im Ton zu sein, kann sie ihre wahren Absichten nicht verschleiern. Aber die Politik von Herrn Macron ist eben auch alles andere als sozial gerecht und benachteiligt sowohl die unteren Klassen als auch die Mittelschicht. Macron hat es verstanden, sich gemäßigt zu geben, für Kompromiss zu stehen. Das hat gereicht. Aber Frankreich bleibt weiter ein geteiltes Land.“
Gefilmt wurde „La Fracture“ großteils im Untergeschoß einer alten Fabrik nahe Paris, wo ein Teil der Notaufnahme des Lariboisière originalgetreu nachgebaut wurde. Auch die echten Krankenschwestern und Pfleger spielten zum Teil mit. „Ich wollte die Realität in meinem Film spürbar machen und dazu gehörte, dass das Personal so mit den Leuten spricht, wie es das auch im Alltag tut.“
Ganz großartig meistert diese Aufgabe Aissatou Diallo Sagna, die trotz des Drucks und der Verantwortung für die ihr anvertrauten Menschen wie ein unerschöpflicher Quell der Menschlichkeit scheint. Die nicht die Nerven verliert und den Leidenden, die sie umgeben, Trost und Ermunterung spendet. „Ja, wir haben ein sehr langes Casting mit den Schwestern und Pflegern gemacht. Aissa stach mit ihrer natürlichen Autorität und Ruhe heraus. Sie ist ganz anders als eine Schauspielerin, die ihren Text lernt und sich für die Szene in eine bestimmte Stimmung versetzt. Sie spielt nicht, sie ist so“.
„La Fracture“ lief im Sommer 2021 in Cannes im Wettbewerb und wurde mit der Queer Palm ausgezeichnet. Corsini liebt die große Bühne von Cannes: „Da wird dein Film in diesem riesigen, überwältigenden Saal gezeigt und alle wichtigen Menschen sind da. Ein guter Film gehört auf die Leinwand, nicht auf einen Fernseh- oder Computerbildschirm“. Hört man da heraus, dass Sie kein Fan von Streamingplattformen wie Netflix ist? – „Nein, das bin ich definitiv nicht. Für mich sind diese Plattformen die Feinde des Kinos“.
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