"Eine Nacht in Venedig": Traumschiff der Triebe

Ein Eyecatcher der  Superlative: Für „Eine Nacht in Venedig“ hat Walter Vogelweider ein gigantisches, variabel bespielbares  Kreuzfahrtschiff  auf die Bühne der Seefestspiele Mörbisch gestellt
"Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauß als Spektakel bei den Seefestspielen Mörbisch.

Was hätte das für ein Schiffbruch werden können. Denn ist es möglich, "Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauß in die Gegenwart zu holen, ohne dabei in plumpes, derbes Regie-Agitprop-Theater zu verfallen und dieser Operette damit jeden Glanz zu rauben? Doch es ist möglich, wenn Könner am Werk sind, die dieses erotische Vexierspiel (jeder will da nur das eine) um Liebe und Triebe zur Karnevalszeit ernst nehmen.

Fest fürs Auge

"Eine Nacht in Venedig": Traumschiff der Triebe
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Genau das ist bei den Seefestspielen Mörbisch heuer der Fall. Denn Regisseur Karl Absenger und sein genialer Bühnenbildner Walter Vogelweider machen am Neusiedler See alles richtig und sorgen im dritten Jahr der Intendanz von Dagmar Schellenberger für ein veritables Fest für Auge und Ohr. Absenger und Vogelweider haben Strauß’ 1883 uraufgeführtes Werk behutsam in ein Venedig von heute transferiert. Wir leben im Zeitalter der Handys, der Mails, der SMS, des Tourismus und der (wie in der Realität) an Venedig haarscharf vorbeischrammenden Kreuzfahrtschiffe.

Und ein solches geht dank Walter Vogelweider am Neusiedler See vor Anker. Die "Herzog von Urbino" legt in einem mit viel Liebe zum Detail (Häuschen, Campanile, Trattoria) gezeichneten Venedig an, denn der Kapitän des Riesenschiffes sucht im Karneval das ein oder andere erotische Abenteuer.

Und dieser Karneval ist bunt, ständig in Bewegung (exzellent und spritzig auch die Choreografie von Mirko Mahr); das Schiff selbst lässt sich drehen, öffnen, gibt den Blick ins Innere (eine Art Ballsaal voller Treppen) frei und ist Dreh-und Angelpunkt aller Irrungen und Wirrungen.

Und davon gibt es bekanntlich eine Menge. Regisseur Absenger setzt sie präzise (toll auch die Personenführung!) und mit viel Gespür für Tempo und Timing in Szene. Joesi Prokopetz wiederum hat den Originaltext gründlich entstaubt und eine eigene, witzige, oft auf Reime bauende Dialogfassung erstellt. Dass Prokopetz gemeinsam mit Ernst-Dieter Suttheimer und dem köstlichen ("Was bin ich für ein Schelm!") Heinz Zednik als Delacqua auch das Senatoren-Trio bildet, ist ein zusätzlicher Gag.

Denn die drei gar nicht so honorigen Herren balgen sich in dieser Textversion um den Posten des Aufsichtsratspräsidenten einer internationalen Reederei; der Kapitän der "Herzog von Urbino" ist passenderweise der Sohn des Reederei-Besitzers. Und das löst bis zum finalen Feuerwerk einige Verwicklungen aus, denen Susanne Thomasberger mit ihren fantasievollen Kostümen ein sehr schönes Antlitz verleiht.

Doch am Ende finden bekanntlich alle Paare zueinander. Etwa der Koch Pappacoda (stark: Jeffrey Treganza), der dank seiner gerissenen Ciboletta (tolle Stimme: Verena Barth-Jurca) zum Chefkoch der "Herzog von Urbino" befördert wird. Oder der erste Offizier Caramello (gut: Mirko Roschkowski), der zuletzt das Kapitänspatent erhält und zu "seiner" Annina (sympathisch: Elena Puszta) zurückfindet.

Fest der Sinne

Auch die Ehre der Senatoren ist dank zweier Frauen (Verena Scheitz und Marina Alsen) gerettet; sexuell wirklich zum Zug kommt bei diesem "Fest der Sinne" nur Frau Delacqua, die Dagmar Schellenberger selbst gibt. Nicht nur mit ihrem "Schwipslied" holt sich die Intendantin alles. Als deren jugendlicher Liebhaber setzt sich Otto Jaus ebenfalls gekonnt in Szene.

Gleiches gilt für Herbert Lippert, der als Kapitän seine große Erfahrung einbringt und seine "Hits" extrem kultiviert und raffiniert vorträgt. Dass die zusätzlich eingeführte "Traumfigur" (sie fungiert als eine Art Spielleiter) via Tonband von dem großen Peter Matić gesprochenen wird, ist ein weiterer Coup.

Und das Orchester? Hier hat Dirigent Andreas Schüller das gute Festival Orchester Mörbisch samt Chor ziemlich sicher im Griff, viele der Melodien und der musikalischen Einlagen zünden recht gut. Ein paar bei der Premiere hörbare Tonprobleme lassen sich gewiss noch in den Griff bekommen.

Gar nicht so leicht ist das hingegen bei "Mister Wunderbar". Denn als Harald Serafin, der 20 Jahre lang Mörbisch zum "Mekka der Operette" gemacht hat, die Ehrenmitgliedschaft der Seefestspiele verliehen bekam, hätte es fast eine Rede wie in guten, alten Zeiten gegeben. Aber eben leider nur fast.

KURIER-Wertung:

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