Eine Ausstellung versammelt, was Abtreibungsverbote verursachen

Der mit der ersten Vorwahl soeben gestartete US-Präsidentschaftswahlkampf, schreiben zahlreiche Kommentatoren, wird wesentlich entlang des Themas Abtreibung geführt und entschieden werden. Seit das US-Höchstgericht im Sommer 2022 jenes 50 Jahre gültige Urteil kippte, das Schwangerschaftsabbrüche als von der Verfassung geschützt sah, geht es um die Frage, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen der nächste Präsident auf Bundesebene ermöglicht.
Der Umbruch in den USA ist wohl auch ein Grund dafür, dass Felix Hoffmann, der im Sommer 2022 bestellte Leiter der neuen Institution Foto Arsenal, eine 2016 vollendete Arbeit der spanischen Künstlerin Laia Abril ins Programm holte. „On Abortion“ („Über Abtreibung“) ist dabei der erste Teil einer Langzeitrecherche mit dem Titel „Eine Geschichte der Frauenfeindlichkeit“, die auch Kapitel zu Vergewaltigung oder Femizid umfasst – und sich nicht nur auf das Medium der Fotografie beschränkt.
Geschichte und Geschichten
Wie in einem wissenschaftlichen Naturalienkabinett empfangen nun Bilder von Schafsdarm-Kondomen oder Werkzeugen, die für illegale Schwangerschaftsabbrüche eingesetzt wurden und werden, das Publikum in den Schauräumen des Foto Arsenal im Wiener MuseumsQuartier (bis 10. 3.). Das am Mariahilfer Gürtel ansässige „Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch“ – Abril begann hier mit ihren Recherchen – lieh der Schau einen gynäkologischen Stuhl.
Abril kommt von hier aber sehr schnell in die Gegenwart: In Länder, in denen die Gesetzgebung auch Vergewaltigung nicht als Grund für eine Abtreibung legitimiert, oder in Systeme, in denen die Ächtung der Praxis so stark ist, dass ein Zugang praktisch unmöglich wird.

Zentral sind hier jene Text-Bildtafeln, mit denen Abril die Geschichten einzelner Personen erzählt: Etwa von der Polin Magdalena, die von einem Arzt Pillen zum Abbruch der Schwangerschaft verschrieben bekam und die Komplikationen infolge von Blutungen nur knapp überlebte. Von Manuela aus El Salvador, die gern ein Baby gehabt hätte, aber eine Fehlgeburt erlitt – und dann wegen angeblichen Mordes zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde.
Oder von Neil aus Irland, dessen Frau ihre Krebstherapie unterbrach, als sie schwanger wurde. Auch sie hätte ihr Kind gern ausgetragen, doch es wäre zu gefährlich gewesen. Für eine Abtreibung musste die Frau aus Irland ausreisen, doch die Behörden verschleppten die Ausstellung ihres Passes. Als die Prozedur 2011 erledigt war, war ihr Krebs so weit fortgeschritten, dass sie starb.
Ins Abseits gedrängt
Es sind Geschichten, die es jenen schwer machen, die meinen, rasch moralische Urteile fällen zu können. Dann fällt der Fokus auf Methoden, zu denen jene greifen, die keinen Zugang zum sicheren Prozedere haben – Abril zeigt als Fotografien eine heiße Badewanne, einen Kleiderbügel, einen Ast. Erst durch den Kontext werden diese Detailaufnahmen zu Zeugnissen des Schreckens.

45 Prozent aller weltweit durchgeführten Abtreibungen sind laut WHO unsicher. 47.000 Tode, heißt es bei Abril, sind jährlich darauf zurückzuführen. Einige Gesichter von Opfern sind von der Künstlerin in verschwommenen Schwarzweißtönen wiedergegeben.
In einem weiteren Abschnitt ihrer begehbaren Dokumentation schwenkt Abril dann auf jene Kräfte, die damit befasst sind, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und den einfachen Zugang dazu zu torpedieren. Rasch wird klar, dass es nicht nur die sogenannten Entwicklungsländer sind, in denen Frauen und Ärzte auf Barrieren stoßen – Pamphlete, in denen militante Abtreibungsgegner Kliniken als Ziele definieren, und die flammende Rede eines US-Politikers auf einem TV-Gerät weisen in eine Richtung, die nur allzu präsent scheint. Es ist wohl zu erwarten, dass wir noch nicht alles gesehen haben.

Kommentare