Eindeutig keine Heulboje

„Die Frau vom Meer“ im Akademietheater.
Burgstar Christiane von Poelnitz spielt ab Samstag Ibsens „Die Frau vom Meer“.

Mit „Lumpazivagabundus“, das schon bei den Salzburger Festspielen zu sehen war, beginnt heute die Burgtheater-Saison. Am Samstag folgt in der Akademie die zweite Premiere: Christiane von Poelnitz spielt in Anna Bergmanns Regie Henrik Ibsens „Die Frau vom Meer“. Ellida, die Frau des deutlich älteren Kleinstadtarztes Dr. Wangel, sehnt sich nach dem Meer – und einem geheimnisvollen Seemann, dem sie angeblich einmal Treue versprochen hat.

KURIER: „Die Frau vom Meer“ gilt als schwierig zu spielen. Ist das so?
Christiane von Poelnitz:
Dieses Stück zu spielen, ist anstrengend, die Thematik ist schwierig. Wir mussten einen Ansatz finden: Warum soll man das heute noch spielen? Und ich denke, wir haben einen guten Weg gefunden.

Wo liegt die Gefahr dabei?
Man darf ihre Beziehung mit dem Fremden nicht darauf reduzieren, dass sie eine frustrierte Ehefrau ist, das sehe ich nämlich völlig anders. Es geht um nicht bewältigte Traumata: Der Verlust des Vaters, die Suche nach einer Vaterfigur und der Verlust des Kindes. Und um die Schuld, an der sie zerbricht, weil sie sich einredet, dass sie ihr Wort gegenüber dem Fremden gebrochen hat, nach Sicherheit gesucht hat, egoistisch gehandelt hat und dafür bestraft wird. Darüber kann man ja tatsächlich verrückt werden.

Wie stellen Sie die Ellida dar?
Mir war wichtig , dass ich keine Frau darstelle, die von früh bis spät eine Heulboje ist. Ich habe ja beim Lesen Mühe gehabt, weil ich diese Figur zunächst total blöd fand. Weil sie alles tut, was ich mir nie erlauben würde: Sich hemmungslos gehen lassen und sich nicht darum kümmern, wie es den anderen geht. Klar, wenn man schwer depressiv ist, dann kann das schon so sein. Aber für mich ist das schwer nachvollziehbar, weil ich zu denen gehöre, die sich zusammennehmen und funktionieren.

Wie holen Sie den Stoff ins Heute?
Unsere Regisseurin Anna Bergmann ist deutlich jünger als ich und hat das Stück schon einmal gemacht. Und wir waren uns schnell einig, dass wir das Ende ändern müssen, das ist unmöglich für eine moderne Frau. Einen alten Mann haben und einem Jungen hinterherheulen, das geht nicht. Die Figur des Fremden findet in unserer Fassung in ihrem Kopf statt, wie eine Heimsuchung.Das ist der schwierigste Punkt: Wie geht man mit der Figur des Fremden um? Was bedeutet das Meer – ohne dass man in so eine Pseudopsychokiste rutscht.

Die Ellida ist ja angeblich eine Traumrolle.
Es ist tatsächlich eine Traumrolle für viele Schauspielerinnen. Das emotionale Spiel – auf Knopfdruck heulen und so – das ist mir ja ziemlich nah, da gibt es für mich nichts herauszufinden. Mir geht es eher darum, die Figur zu spielen als jemand, der versucht, sich so lang wie möglich zusammen zu reißen. Bis er explodiert. Das ist für mich auch ein viel moderneres Bild einer Frau, in der alles schwelt, die aber versucht, eisern durchzuhalten, bis dann alles kippt.

Also keine Traumrolle für Sie?
Ich verstehe nicht, warum es eine Traumrolle ist. Vielleicht, weil man da so richtig auspacken darf? Aber ich muss ja eher aufpassen, dass ich nicht zu viel Emotionalität auf die Bühne bringe. Ich habe mir das bei „Elektra“ auch schon gedacht: Klar könnte ich Elektra als Vollfurie spielen. Aber es ist viel stärker, wenn man es kälter macht. Und bei der „Frau vom Meer“ ist es so, sie tritt auf und ist sofort eine Heulboje. Und das fand ich langweilig, wenn man sofort merkt, der geht es schlecht. Interessanter ist es doch, so lange es geht, das Gegenteil zu behaupten.

Ellida fühlt sich „anders“. Kennen Sie dieses Gefühl?
Ich hab mich immer anders gefühlt. Das lag auch an meinen roten Haaren und der weißen Haut. Ich wurde als Kind extrem gehänselt deswegen. Bis heute würde ich nie ein kurzes Kleid tragen, wenn ich mich nicht vorher mindestens sechs Wochen lang an den Strand geknallt hab. Was ich natürlich nicht mache, weil ich es blöd finde. Aber bis heute denke ich mir: Mann, warum kannst du nicht einfach braun werden wie alle anderen?

Rothaarige Frauen gelten ja als „interessant“.
Ja, die rothaarigen Mädchen werden dann mit 20 plötzlich ansatzlos sexy gefunden. Damals habe ich gedacht: Ha? Was ist denn jetzt los? Auch all die Klischees, die Rothaarigen anhängen ... Ich hatte einen Religionslehrer, der hat wirklich zu mir gesagt: Sei froh, vor ein paar Hundert Jahren wärst du verbrannt worden. Ich war einmal ganz unglücklich in einen Italiener verliebt, der sagte, es täte ihm leid, aber in seiner Region sage man, lieber den Tod im Haus als eine Rothaarige vor der Tür.

Sie wären prädestiniert für die Rolle der Salome Pockerl im „Talisman“.
Ich habe sie nie gespielt, aber das ist eine absolute Traumrolle von mir!

Wie ist die Zusammenarbeit mit Regisseurin Anna Bergmann?
Ich mag sie sehr, sie hat eine Riesenenergie und ist ein herzensguter Mensch. Es ist mir wichtig, mit Menschen zu arbeiten, die das Herz am richtigen Fleck haben. Ich finde es zudem angenehm, mit einer Frau zu arbeiten, weil nie ein erotischer Kontext im Raum steht.

Sind Sie eine schwierige Schauspielerin für Regisseure?
Ich glaube behaupten zu können, dass ich gar nicht zickig bin. Das Lustige ist, dass ich, glaube ich, den Ruf einer Volldiva habe. Aber das liegt wohl an der Außenwirkung, der Erscheinung, der Stimmlage, Und an der Klarheit, mit der ich weiß, was ich will. Und was ich nicht will.

Kommentare