Ein zorniger Herbert Föttinger: „Theater muss eine Haltung haben“
Herbert Föttinger, aufmüpfiger Direktor des Josefstädter Theaters seit nun 17 Jahren, ging bei seiner Pressekonferenz gehörig in Saft. Doch er watschte nicht nur die Politik (Kurz, Kickl, Dosko), sondern auch Seinesgleichen.
Er landete zunächst einen Seitenhieb gegen die Kollegen vom Burgtheater, die sich kürzlich bei der Präsentation des neuen Spielplans hinter einer mauerartigen Tafel verschanzt hatten, um mit „Aufwachen!“ in riesengroßen Buchstaben vor der nahenden Verfinsterung zu warnen. Nein, der zornige Föttinger, den Opportunismus seiner Zunft geißelnd, verließ die Bühne, schritt auf die Journalisten zu und bot sämtliche Achillesfersen an.
Ganz besonders in Rage gebracht hat ihn Markus Hinterhäuser, der sich nicht über die Koalition des Salzburger ÖVP-Landeshauptmanns mit der FPÖ echauffieren wollte: Der Intendant der Salzburger Festspiele meinte im Standard, dass der Vorschlag von Ex-Jedermann Cornelius Obonya, bei der Eröffnungsrede von Wilfried Haslauer aus Protest die Felsenreitschule zu verlassen, „von einer bemerkenswerten gedanklichen Schlichtheit“ sei.
Feige Theatermacher
Er, Föttinger, glaubt viel mehr in der Beteuerung, dass bei der Eröffnung die Europahymne und nicht das Horst-Wessel-Lied gesungen werde, eine bemerkenswerte gedankliche Schlichtheit erkennen zu können. Denn ein NS-Lied stehe gar nicht zur Debatte, aber unzweifelhaft würden die Rechtspopulisten salonfähig gemacht. Und nur, wie Hinterhäuser, zu sagen, „man“ müsse eine Antwort auf die FPÖ finden, indem „man einen aufrichtigen, präzisen und, wenn notwendig, auch harten politischen Kurs fährt“, sei zu wenig: Er, Föttinger, hätte sich vom Intendanten echte Ansagen erhofft: „Ich setze dieses oder jenes Zeichen.“
Denn er finde, dass Theater eine Haltung haben müsse. „Diese vermisse ich bei Hinterhäuser.“ Und so müsse er ungern, aber doch Paulus Manker recht geben, der gemeint hatte, dass viele Theatermacher feig seien.
Die Bewältigung der Vergangenheit war ihm immer wichtig, und das setze er fort – mit der von ihm inszenierten Uraufführung „Leben und Sterben in Wien“ am 7. März. In diesem Auftragswerk widmet sich Thomas Arzt der Zwischenkriegszeit und dem Austrofaschismus.
Doch noch viel wichtiger sei angesichts der mannigfaltigen Krisen, die den Menschen den Boden unter den Füßen wegziehe, die Gegenwartsbewältigung. Zum Saisonauftakt am 7. September gibt es daher Henrik Ibsens, von David Bösch bearbeiteten Politthriller „Stützen der Gesellschaft“, in dem es jedem nur um den eigenen Vorteil gehe. Am 16. November folgt die Uraufführung von „Bis nächsten Freitag“: Herbert Föttinger und Erwin Steinhauer spielen zwei Schulfreunde, die mit Ängsten, Krankheit, Tod konfrontiert werden. Der Romantiker Peter Turrini kontert mit Witz und der Kraft der Liebe.
In der Josefstadt zu sehen sein werden zudem Turrinis „Es muss geschieden sein“ (Uraufführung am 13. Juli in Gutenstein), „Warten auf Godot“ (Regie: Claus Peymann) und Carlo Goldonis „Trilogie der Sommerfrische“ (Regie: Janusz Kica).
Machtmissbrauch und Lüge
Die Kammerspiele eröffnen am 9. September mit Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“ in der Regie von Amélie Niermeyer, auch hier geht es um Machtmissbrauch, Opportunismus und Lüge, Fritz Hochwälders „Der Himbeerpflücker“ passt gut dazu. Es folgen zudem Frank Wedekinds „Lulu“, Anton Tschechows „Die Möwe“ – und als Erstaufführung „James Brown trug Lockenwickler“ von Yasmina Reza: Föttingers Frau Sandra Cervik inszeniert, Juergen Maurer debütiert.
Es gibt also „nur“ elf Premieren. Denn die Josefstadt muss sparen. Die Pandemie hatte gröbere Auswirkungen, die Zahl der Abonnenten ist gegenüber 2019 massiv zurückgegangen – von 18.000 auf 13.100. Für die kommende Saison kündigte Thomas Drozda, der Aufsichtsratsvorsitzende, eine durchschnittliche Erhöhung der Eintrittspreise um 6,15 Prozent an.
Hohe Auslastung: Im Vergleich zum Volkstheater steht die Josefstadt mit 210.000 Besuchen (bis Ende Mai) und einer Auslastung von 80,5 Prozent – 75,7 % im Haupthaus, 87,4 % in den Kammerspielen – sensationell da
Elf Premieren: Josefstadt: „Die Stützen der Gesellschaft“ (7. 9.), „Bis nächsten Freitag“ (16. 11.), „Warten auf Godot“ (14. 12.), „Es muss geschieden sein“ (11. 1.), „Leben und Sterben in Wien“ (7. 3.) und „Trilogie der Sommerfrische" (1. 6.). Kammerspiele: „Der zerbrochne Krug“ (9. 9.), „Lulu“ (28. 10.), „Der Himbeerpflücker“ (30. 11.), „James Brown trug ...“ (15. 2.) und „Die Möwe“ (28. 3.).
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