Ein Sprung über die Kluft der Kunstwelt

Ein Sprung über die Kluft der Kunstwelt
Der Lateinamerikaner Simón Vega brauchte Hilfe aus Wien, um an der Kunstschau in Venedig teilzunehmen.

Ich bringe gerne Müll aus der Dritten Welt in die Erste “, sagt Simón Vega.

In einer Schlosserei in Gerasdorf bei Wien hat der Künstler, der sein Heimatland El Salvador heuer im „Lateinamerika-Pavillon“ bei der Biennale in Venedig vertritt, seinen Koffer ausgepackt: Darin stapelt sich das Blech von Bierdosen, säuberlich zu Achtecken zurechtgeschnitten; kitschiges Plastik-Gras, Plastikgeschirr und einiges mehr. Es sind Teile eines Skulptur-Arrangements, die mit einfachsten Mitteln die Landung eines Sputnik-Satelliten auf der schicken Kunstschau nachstellen soll.

Vega hat ähnliche „Fremdkörper“ auch schon in New York und an einem Strand in seiner Heimat landen lassen – Hintergrund ist sein Interesse am Kalten Krieg, dessen politische Auswirkungen in Lateinamerika bis heute spürbar sind.

Die Satelliten-Mission nach Venedig wäre allerdings beinahe gescheitert – denn die offiziellen Stellen in El Salvador hatten für die Förderung ihres Biennale-Künstlers kaum Geld übrig. „Jeder Künstler muss allein für die Nutzung des Pavillons 6000 US-Dollar bezahlen“, sagt Vega. „Die bekam ich vom Museum of Modern Art in El Salvador, alles andere musste ich selbst aufbringen.“ Zum Vergleich: Österreich machte für seinen Biennale-Beitrag 400.000 € locker, die aber noch mit privaten Geldern aufgestockt werden mussten.

Simón Vega, der in seiner Arbeit die Kluft zwischen Erster und Dritter Welt thematisiert, wäre also selbst fast in ebendiese gestürzt; seine Bemühungen, mit dem Verkauf von Druckgrafiken Geld aufzutreiben, fruchteten nicht rasch genug.

Rettung kam aus Miami – und aus Wien

Der aus El Salvador stammende US-Sammler Mario Cader-Frech und der Wiener Galerist Ernst Hilger übernahmen schließlich die Produktion des Werks und des begleitenden Katalogs sowie die Transportkosten. Und weil ein aus Abfallprodukten gebastelter Satellit schwer von Lateinamerika nach Venedig zu bringen ist, kam Vega nach Gerasdorf.

Dort wurde das Gerüst für den „Sputnik“ zusammengeschweißt, neben den Bierdosen, die Vega aus der Heimat mitgebracht hatte, sammelte der Künstler noch Material vor Ort: Der fertige Satellit verfügt nun über einen Klorollenhalter, einen bequemen Sessel und ein uraltes TV-Gerät, das eine Galeriemitarbeiterin spontan organisierte.

Vegas Kunstwerk ist damit ein beispielhaftes Produkt eines funktionierenden Kunst-Netzwerks. Der Auftritt des Lateinamerikaners in Venedig zeigt auch die Rolle von Galerien und „Artist-In-Residence“-Programmen für den globalen Kunstbetrieb. Von der breiten Öffentlichkeit oft unbemerkt, pflegen diese Einrichtungen das Biotop der Kunst. Die Pflanzen, die darauf gedeihen, blühen nur manchmal anderswo.

"Ich habe meine Galerievertretungen nur aufgrund dieser Programme bekommen“, erzählt Laura Ribero. Die aus Kolumbien stammende Fotografin, die von der Wiener Galerie Hubert Winter betreut wird, war von Jänner bis April 2013 „Artist In Residence“ im Wiener MuseumsQuartier/quartier 21. Die dort ansässigen Institutionen können abwechselnd Künstler einladen. Diese wohnen dann im Quartier und bekommen 1000 Euro für den monatlichen Unterhalt.

Derlei Programme sind nicht nur für die Kontaktpflege in der Kunstwelt unerlässlich, die Teilnahme macht sich auch gut im Künstler-Lebenslauf. Auch der Bund fördert den Austausch; für 2014 werden insgesamt 50 „Residencies“ in Wien vergeben (Ende der Bewerbungsfrist 31. Mai, www.bmukk.gv.at).

Auch Galerien nutzen die Gast-Spiele zum Aufbau neuer Talente: Die Wiener Galerie Krinzinger etwa lädt – mit Förderung der Agentur „departure“ – ausgewählte Künstler in Ateliers in Wien, Ungarn und nach Sri Lanka. In der Galerie sind immer wieder die Resultate zu sehen und auch zu kaufen, derzeit von Jude Anogwih (Nigeria), Johanna Calle (Kolumbien) und Adriano Costa (Brasilien) (bis 22.6., Seilerstätte 16, www.galerie-krinzinger.at)

Der jüngste Neuzugang ist das von der Unternehmerin Katharina Moser initiierte „Loft 8“ in der Ankerbrotfabrik, das abwechselnd als Galerie und Ausstellungsraum dient; nach den deutschen Künstlern Marie Letkowski & Nico Kiese (Ausstellung bis 22.5., Absberggasse 27, 1100 Wien, www.loft8.at) werden hier bald Künstler oder Künstlerinnen aus Chile residieren.

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