Ein Mann ohne Eigenschaften?

Eröffnungsfilm der Retrospektive Gustav Ucicky: "Der Postmeister" (1940) mit Heinrich George (li.), Hilde Krahl und Siegfried Breuer.
Retrospektive des österreichischen Filmemachers Gustav Ucicky, Erfolgsregisseur des Dritten Reiches.

Eigentlich scheint das Urteil über den österreichischen Regisseur Gustav Ucicky gefallen. Auf die Frage: "Nazi oder nicht Nazi?" kann man eindeutig mit "Nazi" antworten. Oder doch nicht?

So viel ist klar: Gustav Ucicky, unehelicher Sohn von Maler Gustav Klimt und von diesem wenig beachtet, zählte zu den erfolgreichsten Regisseuren des Dritten Reiches. Er galt als handwerklicher Routinier auf Hollywood-Niveau, ohne besondere Handschrift: Ein Mann ohne Eigenschaften, ein Opportunist und Karrierist.

Um eine Neueinschätzung seines Werkes bemüht sich nun das Symposium "Zwischen Propaganda und Unterhaltung" (22./23. 11.) im Metro Kinokulturhaus, das im Rahmen einer Retrospektive des Filmarchiv Austria stattfindet.

Gustav Ucicky begann seine Karriere im österreichischen Kriegspressequartier und zog mit seiner Kamera von Front zu Front. Er wurde von dem österreichischen Filmgrafen Sascha Kolowrat, dem Begründer der österreichischen Filmindustrie, gefördert und fing beim Film als Kameramann an. Seine erste Kameraarbeit leistete er für "Casablanca"-Regisseur Michael Curtiz, der damals noch Michael Kertesz hieß.

Ucicky gilt als "Star-Regisseur" von Hans Albers und Paula Wessely, doch dirigierte er auch andere große Namen wie etwa Marlene Dietrich und Willi Forst in "Café Elektric" (1927). Ab 1930 arbeitete er in Berlin bei der Ufa und machte dort Karriere – nicht zuletzt deswegen, weil alle jüdischen Mitarbeiter mit Arbeitsverbot belegt wurden.

Das Filmarchiv Austria beginnt die Retrospektive von Ucickys Werk Donnerstag (20. 11., 19.30 Uhr) mit dem Drama "Der Postmeister" (1940), in dem Ucicky sein handwerkliches Talent voll entfaltet. Eine blutjunge und bildschöne Hilde Krahl schmachtet da in der russischen Provinz einen Rittmeister aus St. Petersburg an. Siegfried Breuer als fescher Russe verführt das Provinzmädchen Dunja mit seinem weichen Wienerisch ("Ich schwitze wie ein Braten") im Handumdrehen. Kaum packt sie ihren Koffer, um ihm als seine "Braut" zu folgen, hat er auch schon den abfälligen Blick im Auge. Ucicky zelebriert den moralischen Fall der jungen Frau in einem dekadenten Schlafzimmer, wo Teppiche und Tierfelle wuchern. Eine Tänzerin mit nacktem Oberkörper windet sich zu heißen Rhythmen. Und Heinrich George als Dunjas einfältiger Vater legt als russischer Tanzbär die Rolle seines Lebens aufs Parkett.

Heimkehr

Als eindeutiges Indiz für Ucickys Nazi-Engagement gilt sein notorisches Drama "Heimkehr" von 1941. Rassistische und nationalistische Hetze prägen dieses effektvolle Werk, das vom Schicksal einer "volksdeutschen" Minderheit in Polen erzählt. Als Anführerin ihrer verzweifelten Landsleute, die sich gegen die Übergriffe der polnischen "Untermenschen" wehren müssen, fungierte Paula Wessely. Sie ist es, die in einem Monolog das Glück einer Heimkehr nach Deutschland herbeifantasiert ("Denn wir leben nicht nur ein deutsches Leben, wir sterben auch einen deutschen Tod.")

Die Premiere fand in Wien statt – praktisch als nachgereichter Propaganda-Streifen zum österreichischen "Anschluss". "Reichsleiter" Baldur von Schirach beehrte mit seiner Anwesenheit die Premiere, Goebbels gratulierte begeistert aus Berlin.

Paula Wessely bekam nach Ende des Zweiten Weltkrieges für diesen Auftritt kurzfristig Berufsverbot, ebenso Regisseur Gustav Ucicky. Beide konnten jedoch ihre Karrieren bald wieder ungehindert fortsetzen.

Info:Retrospektive: "Gustav Ucicky – Filme von 1921 bis 1960" (20. 11. 2014 bis 11. 1. 2015). Symposium: "Zwischen Propaganda und Unterhaltung – Der Regisseur Gustav Ucicky" (22./23.11.) Im Metro Kinokulturhaus (www.metrokino.at).

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