Ein irritierender Tanz mit dem Tod

Ein irritierender Tanz mit dem Tod
Österreichische Erstaufführung von Jan Fabres "Preparatio Mortis" beim ImPulsTanz im Wiener Odeon.

Preparatio Mortis" entpuppt sich bei der österreichischen Erstaufführung von ImPulsTanz im Odeon als grandioses Solo Jan Fabres für Annabelle Chambon. Eigentlich ist das aus einem kurzen Solo von 2005 weiterentwickelte Stück ein Duett mit einem unsichtbaren und unpopulären Partner. Chambon tanzt mit dem Tod.

Wie so oft bricht Fabre auch diesmal mit Tabus. Die Präsenz des Todes genügt, um das junge Publikum zu irritieren. Statt Spaß und oberflächlicher Unterhaltung gibt es die Konfrontation mit dem Sterben. Durch eingespielte Orgelkompositionen von Bernard Foccroulle, Festival-Intendant in Aix-en-Provence, und Dunkelheit wirkt die Bühne zunächst wie der Innenraum einer Kathedrale.

Sterben mit Farben

Das Sterben findet bei Fabre weder in einer sterilen Spitalsatmosphäre noch in Schwarz-Weiß-Kontrasten statt, sondern mit bunten Farben. Ein kunstvoll gestalteter Sarg aus weißen Gladiolen, Schleierkraut und Gerbera in Rottönen wird lebendig, gerät über einem ebenso liebevoll drapierten, bunten Blumenbeet ins Wanken. Das letzte Aufbäumen der Performerin Chambon hat nichts Sentimentales an sich, sondern ist ein gewaltiges Transformieren anfangs schlichter, nahezu graziöser Handbewegungen bis zu einem energetischen, kraftvollen Übergang in eine Art Trance-Zustand mit Mitteln drastischer Körpersprache.

In Schönheit sterben lässt Fabre nicht, dafür aber in großer Würde und Menschlichkeit. Stärke, innere Kräfte und nicht zuletzt Selbstzerstörung verdrängen Ängste und Einsamkeit.

Blumengruß

Es mag überraschen: Erinnerungen spielen hier eine schwächere Rolle als in vielen Filmen, in denen Lebensstationen am Sterbenden noch einmal vorüberziehen. Doch das Lebendige ist durch Blumen stets präsent, die für flüchtige Erlebnisse, Begegnungen und Vergänglichkeit stehen. In kurzen Momenten werden Situationen in Bildersprache konkret: etwa beim Ausreißen der Blütenblätter einer Gerbera als "Er liebt mich, er liebt mich nicht"-Spiel - ein tanzhistorisch ab dem 19. Jahrhundert durch "Giselle" bekanntes, todbringendes Sujet.

Im zweiten Teil begibt sich Chambon nackt in den gläsernen Sarg mit der Inschrift "17. 1. 1975". Wieder ist sie von Leben umgeben: Falter flattern um ihren Körper, besetzen, umgarnen ihn. In ihren Bewegungen und Haltungen mutiert sie selbst zum überdimensionalen Insekt. Am Ende der Performance bekommt jeder Zuschauer beim Ausgang ein tröstliches Lebenszeichen in Form einer blauen Iris-Blume.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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