Ein Gruppenturnsaal für den Geist

Franz West Artist Club
Die Schau „Franz West – Artistclub“ im 21er Haus bringt mit Spaßfaktor einen erweiterten Kunstbegriff näher

Auf der Venedig-Biennale 2011 war in der Halle des Arsenale Franz Wests Werk „Extroversion“ aufgebaut – ein in den Raum gestellter Raum, nach den Abmessungen von Wests Küche gefertigt, mit grünen Kreuz-Mustern bemalt und mit Werken unterschiedlicher Künstlerinnen und Künstler behängt. West war in jenem Jahr mit dem Goldenen Löwen der Biennale geehrt worden und endgültig in der Liga der „Großen“ angelangt.

Unterwanderungen

Ein Gruppenturnsaal für den Geist
Franz West Ausstellung 21er Haus 12/16 Titel tba honorarfrei zur Ausstellung
Auch wenn West damals schon recht gebrechlich wirkte – der Künstler starb 2012 – so war er weiter in der Lage, geistige Haken zu schlagen: Denn anstatt sich selbst mit einem massiven Werk darzustellen, hatte West rund 30 Künstlerinnen und Künstler, die sonst nie zu Biennale-Ehren gekommen wären, in „sein“ Werk integriert und so zum Teil der Kunst-Weiheveranstaltung gemacht.

Die „Extroversion“ ist nun erstmals in Österreich zu sehen, und sie ist Kernstück der Schau „Artistclub“, die sich bis 23.4.2017 im 21er Haus Gemeinschaftsarbeiten Wests vornimmt. Auch wenn die Idee, Kunst gemeinsam zu entwickeln, keine Erfindung des Wieners war, so machte er sie doch wie wenige andere zum Teil seines Kunstverständnisses.

Kunst mit Ei

So wird nun also jeden Tag morgens ein frisches Spiegelei zubereitet und auf einen Pappmaché-Brocken im hinteren Teil des Saales gelegt: Das Ei ist der Beitrag der britischen Künstlerin Sarah Lucas, die von West eingeladen wurde, eine seiner Arbeiten zu „vervollständigen“.

Dass Kunst in alltäglichen Situationen erlebbar wird und für scheinbare Selbstverständlichkeiten sensibilisiert, war ein wiederkehrendes Motiv von West. Die massive Wertsteigerung seiner Objekte wirken diesem Anliegen heute jedoch immer wieder entgegen.

Ein Gruppenturnsaal für den Geist
Franz West Artist Club
So ist es eine der größten Freuden der Schau im 21er Haus, dass sie die von West erdachten ungewöhnlichen Annäherungen an die Kunst auch zulässt: Man darf etwa auf einer Couch fläzen und auf ein Bild von Rudolf Polanszky, das von der Decke hängt, hinaufblicken. „Passstücke“ – Wests berühmte tragbare Objekte – stehen zum Ausprobieren bereit, und auf einer Bar aus Holzpflöcken und Spiegeln, die der Künstler Anselm Reyle im Rahmen seiner Zusammenarbeit konstruierte, werden bei Veranstaltungen nun auch Getränke serviert.

A Tribe Called West

Kurator Harald Kreijci sieht in dem Parcours die Annäherung an jenen „Artistclub“, den West selbst zu bauen beabsichtigte: Ein Fax, das der Künstler 1998 an seinen französischen Kollegen Fabrice Hybert schickte, legt einen solchen Plan nahe. Weil der Kurator sich nicht anmaßen konnte, den „Club“ eigenmächtig zu vollenden, griff er auf existierende Gemeinschaftsarbeiten zurück.

Das Ergebnis ist weniger „museal“ als die West-Werkschau, die das mumok 2013 ausrichtete; zugleich ist es der vielleicht niedrigstschwellige Zugang zum Werk des Künstlers, den man heute bekommen kann. Freilich, es ist keine „leichte“ Kunst, die man mit einem „aha, verstanden“ abnickt oder ergriffen bewundert – um derlei eingelernte Muster wusste West ja seine Haken zu schlagen. Wer Kunst aber als Impulsgeber zur geistigen Beweglichkeit versteht, findet im 21er Haus viel Raum dafür vor.

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