Ein Ensemble zieht um und bringt Wiener Geist auf Basler Bühnen

Thiemo Strutzenberger und Katja Jung über ihre vorläufig letzte Premiere im Schauspielhaus.
Die Schauspieler Katja Jung und Thiemo Strutzenberger über ihre vorläufig letzte Premiere in Wien.

Ab Donnerstag sind Katja Jung und Thiemo Strutzenberger in Anne Habermehls Bearbeitung von Marie von Ebner-Eschenbachs Roman "Das Gemeindekind" zu sehen. Erneut ein Singspiel – die Musik stammt von dem Komponisten Gerald Resch – wird es die letzte Premiere unter der Leitung des bisherigen Schauspielhaus-Chefs Andreas Beck sein. Beck verlässt Wien Richtung Basel und nimmt den Großteil des Ensembles mit an das Dreispartenhaus. Jung, die bereits zehn Jahre in Basel arbeitete und Strutzenberger, seit 2011 am Schauspielhaus und zuvor unter anderem an der Burg, gehen mit.

KURIER: Der sozialkritische Ansatz von Ebner-Eschenbachs "Gemeindekind" besteht aus ihrem Schreiben dagegen, dass ein Mensch nur Produkt seiner Umwelt sei. Sie schrieb, auch ein unterprivilegiertes Kind könne seinen Weg machen. Heute noch ist die Frage nach Herkunft und Chancengleichheit (politisch) umstritten. Wie würden Sie diese Grundaussage heute bewerten?Katja Jung: Das Interessante ist die Frage der Zuschreibungen: Ob sich jemand so verhält, wie man es ihm unterstellt. Dass Pavel von einer kriminellen Mutter abstammt, impliziert, dass er auch kriminell sein muss.

Thiemo Strutzenberger: Es ist die alte Geschichte, ob das untergeschobene Vorurteil auch irgendwann einmal von jenen aufgenommen wird, denen es untergeschoben wurde. Es geht um die Frage nach der Konstruktion von jemandem, der außerhalb steht, und das Plädoyer des Stückes ist eine offene Frage, was Gemeinschaft überhaupt sein könnte.

Anne Habermehls Fassung ist ein Libretto. Nach "Johnny Breitweiser" werden sie beide also nun wieder singen. Jung: Johnny Breitwieser war viel ausformulierter. Dieses Stück ist für uns alle ein neues Medium. Die Zusammenarbeit mit den Musikern ist interessant, aber dieses Crossover ist eine Herausforderung.

Strutzenberger: Es ist ein neues Terrain, auch deshalb, weil der Text so etwas Skizziertes hat. Daher liegt viel in der Musik. Wir stellen uns gerne diesen musiktheatralen Ansprüchen, doch wir merken, dass unsere Kompetenzen beim Sprechtheater liegen.

Jung: Es ist mein erster Kontakt mit moderner Musik, anfangs fand ich das Stück rhythmisch schwierig. Aber es geht jetzt besser als zu Beginn, wo ich wirklich "lost in translation" war.

Strutzenberger: Es ist sehr anspruchsvoll komponiert, aber das Gute an dieser Musik ist, dass sie einen zwingt, uns anders zuzuhören.

Sie sind ein sehr eingespieltes Team. Fällt es einem da leichter, als Gemeinschaft ein Stück wie dieses zu erarbeiten?Jung: Absolut. Das Vertrauen, ist da, es gibt eine Arbeitsgrundhaltung für die Sache. Ich bin froh, mit den Kollegen auf der Bühne zu stehen, die ich schätze.

Und deshalb haben sie auch beschlossen, sie gehen gemeinsam nach Basel?Strutzenberger: Ja, das ist toll. Dadurch, dass fast das ganze Team mitgeht, ist die Entscheidung viel leichter gefallen. Es war eine fantastische Zeit in Wien.

Jung: Ich kenne nicht viele Theater, wo sich das Ensemble so als Team begreift wie hier. Es wird sich in Basel zeigen, wie viel man von dem alten Geist mitnehmen kann.

Herr Strutzenberger, Sie sind auch als Dramatiker tätig. Werden Sie wieder schreiben?

Strutzenberger: Bestimmt. Aber es gibt noch nichts, worüber ich jetzt schon sprechen könnte.

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