Auch in seinem Buch erweist sich der Diplomat als meisterhafter Erzähler. Dabei geht er oft von seinen persönlichen Erinnerungen aus, die er in knappen Tagebuchnotizen festgehalten hat.
Daran knüpft Turner dann Betrachtungen über Politik und Diplomatie und hängt ausführlich weitere persönliche Beobachtungen des damaligen Geschehens und Anekdoten dazu. Das ergibt oft auch Einblicke in die Arbeit eines Diplomaten, vor allem in Zeiten von Krisen. Und weil Turner alles andere als ein stocksteifer Diplomat ist, spaziert er auch durch die Welt der Diplomatie mit viel Witz. Wenn er uns hinter die Türen von Regierungskanzleien, Ministerien und Botschaften blicken lässt, wird deutlich, dass auch dort oft einmal Hektik und ziemliches Durcheinander herrscht. Manchmal muss man auch als Diplomat einfach Glück haben. So erinnert sich Turner an seine Erlebnisse rund um die sogenannte „Gezi-Park-Revolution“ gegen Erdoğan in Istanbul 2013. Das britische Konsulat liegt in Sichtweite der damaligen Proteste und Turner ließ es sich nicht nehmen, sich unter die Demonstranten zu mischen. Ein unnötiges Risiko für einen Diplomaten, wie er heute offen eingesteht.
Turners Buch ist über weite Strecken unterhaltsam und liefert viele spannende Einblicke. Allerdings ist es mit seinen mehr als 400 Seiten deutlich zu weitschweifig. Kein Zweifel, der erfahrene Diplomat hat sicher viel zur Weltpolitik der vergangenen Jahrzehnte zu sagen. Doch einmal dieses Thema zu kommentieren, einmal jenes, mag in einem abendlichen Gespräch Sinn haben, in einem Buch verliert der Leser früher oder später den Faden, dem er ja eigentlich folgen soll.
Ein engagiertes Lektorat, das aus all den Ausführungen Turners die überraschendsten, aus all den Anekdoten und Erinnerungen die eindrücklichsten herausklaubt und zu einer nachvollziehbaren Abfolge zusammenfügt, hätte dem Buch sicher gut getan. Witz und intellektuelle Schärfe des Wien-Liebhabers wären so um einiges deutlicher geworden.
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