Düringer: Vom Unterschied zwischen Politik und Mafia
Das Wahlergebnis seiner Liste "Gilt" hat Roland Düringer rasch abgehakt. Der Zufall wollte es aber, dass die Nationalratswahl, bei der er vor allem bisherige Nicht-Wähler ansprechen wollte, wenige Tage vor der Premiere seines neuen Stückes stattgefunden hat. "Der Kanzler“ heißt es, nach sieben Jahren Vortragstätigkeit steht Düringer nun nicht als Düringer, sondern in mehreren Rollen auf der Bühne.
Hauptfigur und Erzähler Karl K. hat es zwar nicht zum Kanzler gebracht, aber immerhin zum Kanzlerberater. In dieser Funktion sitzt er im Morgengrauen des großen Wahltages auf seiner Terrasse und feilt bereits vor dem Öffnen der Wahllokale an der Abschiedsrede für seinen Spitzenkandidaten. Wie es zu dieser "hundeelenden" Situation kam, wird in den folgenden zwei Stunden erzählt.
Geld, Sex und Macht
So berichtet er von einem Erweckungserlebnis: Als 13-Jähriger fand der Karl beim Stirl’n in der elterlichen "Bundeslade" folgende Wertsachen: Ein großes oranges Kuvert, darin ein Geldkuvert, ein Pornoheft und darin "etwas noch schmutzigeres": das väterliche Parteibuch. Diese Trias aus Geld, Sex und Macht hat den Buben offenbar politisiert.
Die wesentlichen Dinge über den politischen Aufstieg hat dieser wendige Herr Karl dann vom jovialen "Provinzhauptmann" gelernt: Bei jeder Kreisverkehrseröffnung und jedem Hochwasser dabei sein, ein gerüttelt Maß an Alkohol vertragen und es mit der Ehrlichkeit nicht zu ernst nehmen. Das Volk macht bei diesem ewigen Kreislauf mit und brav sein Kreuzerl. So Düringers These, die man schon anderswo in Variationen gehört hat.
Ostprovinz
Das ganze soll sich in einem beliebigen Land zutragen, verschmitzt nennt Düringer nur "die Hauptstadt" und "die Ostprovinz" als Schauplätze. Wenn Düringer allerdings als Provinzhauptmann bei einer Festveranstaltung einen Pfarrer zusammenstutzt, ist man spätestens nach einer kurzen Youtube-Suche im Bilde. Und auch sonst sind manche Charaktere bis zur Kenntlichkeit entstellt.
Der Aufstieg des Protagonisten vom Zeitungspraktikanten zum politischen Fädenzieher wird zunächst flott erzählt und weckt, vorgetragen mit Düringers Gefühl für den Bauch der Österreicher, Erinnerungen an seine Glanzzeit.
Auf Pointenmaximierung zielt Düringer gar nicht ab. Am besten ist diese: "Zwischen Politik und Mafia ist schon ein Unterschied. Die Mafia ist organisiert."
Anspielung auf Silberstein
Auch die Verhaberung mit den Medien kritisiert Düringer in seinem Rundumschlag, aber je tiefer er in den politmedialen Komplex vordringen will, desto mehr wird der Abend zu einer zähen Angelegenheit.
An einer Stelle ist von einem des Deutschen nicht mächtigen Berater Milo Goldman die Rede, der dem Kanzler im Wahlkampf rät, statt Inhalten nur irgendeine Art von Marke aufzubauen. Der Konnex zur Affäre Silberstein ist klar, aber dieser Faden wird von Düringer sofort wieder fallen gelassen, bevor etwas Erhellendes daraus entstehen könnte.
Kleinformat und Hundefotos
Dafür widmet sich der Kabarettist ausführlich folgender Schnapsidee der fiktiven Kanzler-Kampagne: Um einem "Kleinformat" zu gefallen, soll Spitzenkandidat Rainer Maria Pflasterer, vormals Verkehrsminister und "Mitzi" genannt, einen Fototermin mit einer blinden, tauben und dreibeinigen Hündin absolvieren. Das Problem: "Mitzi" leidet an einer Tierhaarallergie.
Dieser Gag, der vielleicht eine kurze Episode abgeben könnte, wird von Düringer beinahe den gesamten zweiten Teil über ausgewalzt. Inklusive der seltsamen Parabel, dass der Regierungschef des Nachbarlandes plötzlich 750.000 Straßenhunde über die Grenze schicken will.
Hässliche Bilder
Düringer montiert dazu echte Politikerzitate: "Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen." Oder: "Dieses Schauspiel der Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit". Er bemüht sogar die bekannte Filmsatire "Wag the Dog", um auf Inszenierung und Manipulation im Politikgewerbe hinzuweisen. Darüber, dass wie im Film der Schwanz mit dem Hund wedelt, wurde im echten Nationalratswahlkampf so viel berichtet wie nie zuvor.
Je mehr hier der Vortragende Düringer durchkommt, desto mehr zieht sich der Kabarettist Düringer zurück. Das Lachen bleibt aber nicht etwa im Halse stecken, es will erst gar nicht mehr heraus.
So stark die Bühnenpräsenz von Düringer nach wie vor ist - die auch völlig ohne die mittlerweile überstrapazierten Videoeinspielungen auskommt - so hat man den Eindruck, dass dem Neo-Wahlkämpfer beim Schreiben des Stückes auf halber Strecke die Luft ausgegangen ist. Beinahe bis zum Vollpatsch'n, wie die "Benzinbrüder" aus Düringers früheren Kult-Programmen wohl sagen würden. Mit einem entsprechenden Service ist der schwere "Kanzler"-Bus aber durchaus flott zu kriegen. Aktuell bleiben seine Inhalte leider ohnehin.
KURIER-Wertung:
Infos und Termine: e-a.at
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