"Du bist für Österreich zu schön"

Christoph Dostal wird gerne mit Pierce Brosnan verglichen
Christoph Dostal spielt in Daniel Hoesls "WINWIN" einen Investor. Ein Interview über sein Verhältnis zum heimischen Film – und warum gutes Aussehen ein Nachteil sein kann.

Der österreichische Schauspieler Christoph Dostal kam aus Los Angeles nach Wien zurück, um in Daniel Hoesls cooler Wirtschaftssatire "WINWIN" (Kinostart: Freitag) eine Hauptrolle zu übernehmen. Es ist seine zweite in einem österreichischen Film. Die erste spielte der in der Buckligen Welt aufgewachsene Dostal – Jahrgang 1972 – in Wolfgang Murnbergers Durchbruchsfilm "Ich gelobe". Doch das ist lange her. Ein Gespräch über den heimischen Film, Kabarett und die Tücken der Schönheit.

KURIER: In Daniel Hoesls Wirtschaftssatire "WINWIN" spielen Sie einen Investor und erinnern in Ihrem maßgeschneiderten Anzug ein bisschen an Pierce Brosnan. Hören Sie diesen Vergleich öfter?

Christoph Dostal (erst seufzend, dann lachend): Ja, sobald ich in Amerika das Haus verlasse. Am Anfang hat mich das wahnsinnig gestört, aber mein Gott ... Jetzt sage ich immer: "A long long time ago, he used to look like me."

Wie würden Sie Ihre Figur Nicholas Lachman beschreiben?
Lachman ist ein Jetsetter, ein Weltenbürger, der überall und nirgends zu Hause ist. Die Figur ist an Nicolaus Berggruen angelehnt. Das ist ein deutsch-US-amerikanischer Investor, der die insolvente deutsche Kaufhaus-Kette Karstadt für einen symbolischen Euro erwarb und seither für sein Geschäftsgebaren in der Kritik steht. Man nennt ihn "obdachloser Milliardär" – weil er alle Immobilien verkauft hat und jetzt "obdachlos" ist, sprich: Er lebt nur noch in Privatjets und Luxus-Hotels. Sehr mitleiderregend (lacht).

Daniel Hoesl ist dafür bekannt, dass er ohne Drehbuch arbeitet. Wie haben Sie sich die Figur angeeignet?
Die Vorbereitung war für mich unüblich, weil es eben anfänglich kein Drehbuch per se gab und die Texte erst kurz vor dem Dreh in Zusammenarbeit fertiggestellt wurden. Man hat sich gemeinsam herangetastet. Und wenn sie einmal fixiert waren, mussten sie auf Punkt und Pause dargeboten werden. Da wusste Daniel Hoesl genau, was er wollte – und das ist etwas, was ich sehr schätze.

Wien sieht in "WINWIN" beinahe ungewohnt aus.
Ich habe Wien für mich durch diesen Film neu entdeckt, weil man nicht an die üblichen Drehorte gegangen ist. Stattdessen die Sisi-Apartments, der VIP-Bereich am Flughafen, der Donau-City-Tower, das Naturhistorische Museum. Im österreichischen Film bewegen wir uns oft in der Vorstadt-Tristesse, und hier haben wir doch eine ganz andere Atmosphäre. Ich finde, dass "WINWIN" ein "Stand Alone" ist – dieser coole Look, dieses hochstilisierte Ambiente kommt im österreichischen Film so kaum vor.

In Wolfgang Murnbergers Durchbruchsfilm "Ich gelobe" spielten Sie die Hauptrolle. Das war 1994. Was geschah danach?
Nichts. Ich habe nach "Ich gelobe" im österreichischen Film kein einziges Angebot bekommen – und wir waren der österreichische Beitrag für den Auslandsoscar. Ich war 22 und dachte, das sei mein Durchbruch. Im Grunde genommen ist "WINWIN" meine zweite Hauptrolle in einem österreichischen Kinofilm nach 20 Jahren.

Wie erklären Sie sich das?
Na ja – ich habe immer wieder gesagt bekommen: "Du bist für Österreich zu schön, zu glatt." Man ließ mich bei einer Produktion beispielsweise Schokolade essen, damit ich Pickel bekomme. Es gibt einfach dieses Vorurteil, dass ein "Feschak" nicht gut spielen kann. Ich war früher auch Tänzer – Ballett, zeitgenössisch und modern. Damals hat mir eine Agentin gesagt, ich solle das bei den Castings verschweigen, weil die Produzenten glauben könnten, ich würde mich beim Spielen unnatürlich bewegen. Das ist zwanzig Jahre her, da hat sich natürlich viel zum Besseren geändert.

Sie haben dann Österreich verlassen?
Ich sah mich fast gezwungen, entweder aufzuhören oder zu gehen. Ich habe im Ausland sehr viel gearbeitet – im deutschen Fernsehen, im englischen Fernsehen, im amerikanischen Film. Aber trotzdem ist es für die Seele wichtig, dass man auch in der alten Heimat irgendwo seinen Platz findet. Ich war dann fünf Jahre in London und bin Mitte 30 nach Los Angeles gekommen – mit einem Koffer und einem Traum. Dort habe ich darum gekämpft, binnen kürzester Zeit akzentfreies Amerikanisch zu sprechen, damit ich nicht nur Nazi-Rollen spielen muss.

Christoph Waltz hat in einer Nazi-Rolle reüssiert ...
So eine Karriere, wie Christoph Waltz sie hat, ist faszinierend, passiert aber nur alle hundert Jahre einmal. Wie viele Österreicher spielen permanent Hauptrollen in großen Hollywood-Filmen? Aber klar, wenn man zwei Oscars gewonnen hat, ist der Akzent wurscht.

Sie spielten in der von Steven Spielberg produzierten Mini-Serie "Band of Brothers" ...
... einen deutschen Soldaten. Damals war ich von der Aussprache noch nicht fit für eine amerikanische Rolle. Ich sollte beim Vorsprechen auf Knopfdruck einen Heulkrampf bekommen – was ich auch tat. Daraufhin waren alle ganz besorgt: "Geht’s Ihnen gut? Brauchen Sie ein Glas Wasser?" Und ich sagte: "Nein, keine Sorge, ich spiele nur." Daraufhin haben sie mir eine größere Rolle gegeben, und die Zusammenarbeit war ein unvergessliches Erlebnis.

Wollten Sie immer schon Schauspieler werden?
Es gab ein einschneidendes Erlebnis. Ich ging in eine sehr konservative Klosterschule und hatte als Lateinprofessor einen furchtbaren Pater. Für ihn war ich der Sündenbock der Klasse. Meine ganze Jugend lang hatte ich Angst vor diesem Menschen. Mit 18 dachte ich, ich laufe entweder Amok oder ich mache ein Kabarettprogramm daraus und bring die Leute zum Lachen. Ich habe mich für das Kabarett entschieden, bin als "blader Pater" aufgetreten und das Publikum hat sehr gelacht. So wurde ich Schauspieler.

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