Droste-Hülshoff: Der hässliche Mann wäre der Richtige gewesen

Droste-Hülshoff: Der hässliche Mann wäre der Richtige gewesen
Karen Duve - Foto oben - hat über "Fräulein Nette" einen wunderbaren Liebesroman geschrieben

Wie das geschehen konnte, werden sich zwar nicht auch die Enkelkinder einmal fragen. Aber jetzt ist die Ungeheuerlichkeit noch „warm“.
Karen Duves „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ ist nicht als deutscher Beitrag für den Deutschen Buchpreis nominiert worden (der in zehn Tagen verliehen wird).

Schlaglöcher

Vielleicht löst der Name Annette (Nette) von Droste-Hülshoff bei der Jury diesen Reflex aus: Droste-Hülshoff = Die Judenbuche =  Sittengemälde = Schullektüre.
Aber diese Frau war revolutionär. In der  Zeit der Romantik, als die Brüder Grimm Märchen sammelten (und von einem Band Deutscher Sagen innerhalb von vier Jahren bloß 650 Exemplare verkauften), schrieb sie eine Kriminalgeschichte.
Ist aber hier jetzt  egal,
Denn „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ spielt Anfang des 19. Jahrhunderts, da begann Nette erst mit dem Schreiben von Gedichten.
Karen Duve – die  Aufsehen erregte mit ihrem Selbstversuch, sich vegetarisch, vegan, frutarisch zu ernähren, 2011 im Roman „Anständig essen“ festgehalten – schaut sich die Liebe an.
Dass sie dabei so genau vorging und wahrscheinlich irgendwie sogar jedes Schlagloch inspizierte, das damals in Münster auf der Straße zur Burg der Hülshoffs die Kutschenfahrt störte ... das macht das Kraut fett und köstlich. Ebenso die  Studenten, die nach Weimar reisten, um Goethe zu schauen und  lange Pfeifen mit Porzellankopf rauchten, das lange Haar seltsam übers Gesicht gekämmt.
Aber Nettes Liebe zum armen, hässlichen, zum sanften Heinrich Straube ist der Kern des Romans. Der Kuss eines schönen, aber unguten Mannes entzweite sie, sie sahen einander nie wieder, als Straube starb, hinterließ er eine Locke Nettes in einer geheimen Lade. Das ist nicht erfunden. So war es. Dank Duve lebt die Zeit, lebt Droste-Hülshoff, lebt die Liebe (aber die nur sehr kurz).

 

Karen Duve:
„Fräulein
Nettes kurzer Sommer“
Galiani Verlag.
592 Seiten.
25,70 Euro.

KURIER-Wertung: *****

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