Und dabei hat alles bei schönstem Wetter begonnen. Allerdings nicht auf der Bühne, denn dort herrscht von Anfang an Krieg. Schon bei der Ouvertüre wird herumgeschossen, es gibt wilde Kämpfe, viel Pyrotechnik, ein brennender Radfahrer rast vorbei. Denn Regisseur Arnaud Bernard lässt die Oper im spanischen Bürgerkrieg von 1930 in entsprechenden Kostümen spielen und er dreht darüber einen Film in Studios der 1950er-Jahre. Ein schon öfters erlebter, vor allem beliebiger, weil bei jeder Oper möglicher und ganz besonders störender Ansatz. Denn da werden wiederholte laute „Action – Cut“ Rufe mitten in der Musik laut. Stets schwirrt das Filmteam mit Kameras und Scheinwerfern irritierend herum und ständig werden unnötige auch gewalttätige Nebenhandlungen in den nüchternen Kulissen erfunden.
Bis zur Pause hört man Joyce El-Khoury mit dunkeltimbriertem Mezzo als Carmen, viel Erotik versprühend. Brian Michael Moore ist ein recht rüde spielender, aber höhensicherer Don José. Kernig erklingt der Escamillo des Vittorio Prato. Von der Micaela der Vanessa Vasquez hätte man sich mehr lyrisches Einfühlungsvermögen gewünscht. Die kleineren Rollen und auch der meist homogene Philharmonia Chor Wien (Walter Zeh) aus dem Off, gefallen. Das Piedra Festival Orchester unter Valerio Galli ist meist mit der Bühne synchron und vermag durchaus Emotionen zu versprühen.
Kritik vor dem TV-Apparat von Peter Jarolin: So war es danach im Fernsehen
Eine Bemerkung vorweg. Der Autor dieser Zeilen hätte Georges Bizets „Carmen “ bei der Oper im Steinbruch in St. Margarethen sehr gerne live erlebt. Auch wenn zur Pause aufgrund heftiger Gewitter abgebrochen werden musste. Ging leider nicht. Also – und hier ein großes Danke an ORF III – ab ins Patschenkino. Was man dort sah? Eine bis zur Pause live übertragene Oper, danach einen Mitschnitt der Generalprobe oder etwaiger anderer Aufzeichnungen.
Aber musikalisch hat diese „Carmen“ auch vor dem TV-Apparat weitgehend funktioniert. Im Fernsehen kam allerdings die szenische Komponente sehr deutlich zur Geltung. Drei Ebenen hat der Regisseur eingefügt – vom Original-Schauplatz Sevilla über den spanischen Bürgerkrieg bis zu einem Hollywood-Film. Das kommt in den Bildern aber sehr aufgesetzt herüber. Viele Nebenhandlungen auch bei den schönsten Arien und ein insgesamt eher hässliches, weil den Steinbruch zu wenig einbeziehendes Bühnenbild sorgten für mildes Interesse und nährten die Vorfreude auf Giuseppe Verdis „Aida“ im Jahr 2024.
Denn vor dem Bildschirm schlichen sich bald Ermüdungserscheinungen ein. Da konnten noch so viele Ausbrüche aus einem Gefängnis stattfinden, da konnten noch so viele Wollhauberln eine Michaela am Fahrrad nicht retten. Da konnten noch so viele Kämpfe zum Thema Bürgerkrieg stattfinden – diese aber waren immerhin gut umgesetzt.
Und dennoch: Bei „Carmen“ müsste szenisch mehr drinnen sein als diese brave Stadttheater-Produktion. So unspektakulär war St. Margarethen – zumindest via TV – schon lange nicht. Leider. Denn die musikalische Seite kann sich absolut hören lassen.
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