"Don Quichotte" in Bregenz: Eine wirklich traurige Gestalt
Kritik zur Massenet-Produktion im Festspielhaus (Von Helmut C. Mayer).
19.07.19, 18:00
Zuerst kommt der erhobene Moralfinger im Zuge eines entbehrlichen Videos über die Männlichkeit, wie Buben zu gewaltfreien Männern erzogen werden sollen, inklusive Werbung für Rasierutensilien. Dann schimpft, ebenfalls entbehrlich und unverständlich, ein Störer im Publikum, dem vom Rang her mehrmals ein „Halts Maul“ zugerufen wird, was Applaus erntet.
Ein traditionell maskierter Don Quichotte nimmt mit dem Störenfried auf Theatersesseln auf der Bühne Platz. Die Musik hebt an. Mariame Clément zeigt den ersten und letzten Akt von Jules Massenet „Don Quichotte“ im Festspielhaus als Theater im Theater: Sehr beliebig und nicht neu.
Klobürsten
Die Szene (eine alte Dorfidylle) und die Kostüme sind traditionell (Ausstattung: Julia Hansen). Nach einer, so wie alle anderen, ewig langen Umbaupause, dann der Bruch: Wir sind im Heute angelangt und zwar in einem Badezimmer, wo sich der Titelheld duscht und rasiert. Dann beginnt er den Ventilator, der plötzlich riesig wird, mit Rasierschaum, Klobürste als Schwert sowie Klodeckel als Schild wie auch mit Klorollen und dem Duschschlauch zu bekämpfen. Mit Spiderman-Anzug gelingt es ihm , den Banditen den Schmuck der Dulcinea abzunehmen. In einem modernen Büro folgt die Ablehnung des Heiratsantrags, Don Quichotte stirbt schließlich im Theater im Theater in seiner Rüstung.
Die französische Regisseurin zeigt den Plot in Episoden verschiedener Zeiten: Aber alles wirkt willkürlich, mit peinlichen Witzchen und wenig Sinn.
Entschädigend für dieses Regiewirrwarr sind die exzellenten Gesangsleistungen: Wie wohl das Edle und Einfühlsame des Träumers und Fantasten in dieser Inszenierung viel zu kurz kommt, erlebt man mit Gábor Bretz einen sehr berührenden Titelhelden. Sein Bassbariton ist reich schattiert und er verfügt über ein nobles, warmes Timbre. David Stout ist ein kerniger Sancho. Anna Goryachova ist eine dunkelkolorierte Dulcinea, sehr kühl, distanziert und ohne Erotik.
Die kleinen Partien und der Prager Philharmonische Chor singen tadellos. Den Wiener Symphoniker unter dem zu brav agierenden Daniel Cohen fehlt es an Feuer und Dramatik. Jubel, keine Missfallenskundgebungen.
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