Ein Erfolg also, die Neuproduktion des „Don Giovanni“, und es gibt viel Erfreuliches zu hören und zu sehen. Sämtliche Sänger spielen exzellent, was auf eine beeindruckende Personenführung durch Regisseur Barrie Kosky schließen lässt. Die Kostüme (Theresa Gregor) sind fesch, das Bühnenbild (ein Steinhaufen) sollte auch im Repertoire gut funktionieren und dokumentiert glaubhaft die Kälte, die Leere, die Einsamkeit des Protagonisten glaubhaft. Leporello ist diesfalls ebenso böse wie sein Herr, die Damen sind allesamt starke Persönlichkeiten. Auch die Stimmen sind gut und Mozart-adäquat.
Womit wir beim ersten Problem wären: Tendenziell sind fast alle etwas klein für ihre Rollen. Nicht jene von Kyle Ketelsen, dem Don Giovanni, der ausdrucksstark singt, allerdings nicht mit sehr viel Charme oder Farben. Philippe Sly ist darstellerisch ein grandioser Leporello, jedoch auch nicht mit der größten Stimme gesegnet. Hanna-Elisabeth Müller lässt sehnsüchtig an Donna Annas der Vergangenheit denken, der Mezzo von Kate Lindsey an sopranistischere Donna Elviras. Patricia Nolz ist eine enorm talentierte Zerlina, Peter Kellner ein famoser Masetto. Dass der Don Ottovio (Stanislas de Barbeyrac) – abgesehen vom mächtigen Ain Anger als Komtur – fast die größte Stimme hat, ist zumindest ungewöhnlich.
Musikalisch muss Dirigent Philippe Jordan, der die Rezitative vom Hammerklavier aus begleitete, bei dieser Produktion die Geschmeidigkeit zwischen Orchester und Bühne erst finden. Die Tempi sind ambitioniert, bezüglich der Präzision wird es im Verlauf des Abends besser. In Paris, wo er mit Mozart brilliert hatte, wirkte es wesentlich harmonischer.
Was die szenische Lesart betrifft, gibt es in der Reduktion schöne, auf die Essenz fokussierte Momente. Im Gegensatz zu anderen Produktionen dieses Regisseurs wirkt „Don Giovanni“ ein bisschen wie Kosky auf Valium im Home Office. Kann man nachfühlen.
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