Pixars neuer Film "Soul": Animationsfiguren suchen Unsterblichkeit
Der Regisseur über den neuen Animationsfilm „Soul“, in demein Musiklehrer nach einem Unfall seine Seele sucht. Ab heute auf Disney+.
25.12.20, 05:00
VonGabriele Flossmann
Wie kommt die Seele in den Körper? Diese Frage stellt Pixars neues Trickfilmabenteuer „Soul“. Und damit schlägt Disney, dem das Pixar-Studio seit 2006 angehört, ein neues und vor allem unterhaltsames Kapitel zu den jahrhundertelangen Irrungen und Wirrungen der Seelenforschung auf.
Im Mittelpunkt steht ein Mann, der nach einem Verkehrsunfall seiner entfleuchenden Seele hinterher eilt, um sie wieder in seinen Körper zurückzuholen. Er heißt Joe Gardner und ist Musiklehrer in New York. Da er sich aber mit Leib und eben jener Seele, die ihm gerade zu entweichen droht, dem Jazz verschrieben hat, will er vor seinem Antritt im Jenseits noch bei einer Castingshow auftreten. Eigentlich soll die Seele einen neuen Körper beleben – doch Gardner will sie in seinen alten Körper zurückholen. Zumindest auf Dauer seines Bühnenauftritts als Jazzmusiker, von dem er zeitlebens geträumt hatte.
Mit diesem Film hat sich Regisseur Pete Docter mitten hinein in die Metaphysik begeben. In die Lehre von den ersten und letzten Dingen, die sich mit Gott, der Seele, ihrer Unsterblichkeit und der Stellung des Menschen im Kosmos auseinandersetzen.Der 52 Jahre alte Oscar-Preisträger ist mit Filmen wie „Toy Story 2“ (2000), „Oben“ (2010) und „Alles steht Kopf“ (2016) ein Star des Pixar-Studios. Ein großer, schlaksiger Typ mit Hipster-Brille, der gerne lacht. Auch wenn er – wie beim per Zoom geführten KURIER-Interview – allein in (s)einem kleinen Zimmer sitzt.
KURIER: Die Story dreht sich um die Grundlage jeder Religion. Nämlich die Antwort auf die Frage: Woher kommt unsere Seele und wohin geht sie nach dem Tod? Wollten Sie mit der international verständlichen Sprache eines Animations-Films der Seelen-Deutung eine säkulare und womöglich friedensstiftende Variante hinzufügen?
Pete Docter: Wir haben zu dieser Frage sehr viel recherchiert. Die große Überraschung für mich war, dass die großen Weltreligionen Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus, denen rund 3,6 Milliarden Erdenbürger anhängen, zwar allesamt vom ewigen Leben einer menschlichen Seele sprechen, aber mit bemerkenswerten Unterschieden. Es gibt allein in den Vereinigten Staaten fünfundzwanzigtausend verschiedene Splittergruppen des Christentums. Wir haben es daher aufgegeben, die Geschichte einer Religion zuzuordnen. Unser Film ist also nicht theologisch, sondern philosophisch zu deuten. Es geht darin um die Fragen: Warum leben wir? Wie entstehen unsere Leidenschaften und wozu treiben sie uns an?
Was treibt Sie an?
Meine Leidenschaft für Zeichentrick und Animation geht schon auf meine früheste Jugend zurück. Diese Berufung habe ich zu meinem Beruf gemacht – und das schon seit dreißig Jahren. Für mich ist das die beste Art, mich während meines irdischen Daseins nützlich zu machen. Indem ich Menschen unterhalte. Was aber nicht heißen soll, dass jeder Mensch etwas für die Allgemeinheit tun muss. Ein einfaches Leben anständig zu führen, ist schon eine große Aufgabe. Ich mag die Idee, dass jedes Leben den gleichen Wert hat – egal, ob Großes geleistet oder „nur“ der Alltag bewältigt wird.
Wissen Sie nach Ihren Recherchen für den Film mehr über die Begrifflichkeiten von Diesseits und Jenseits?
Wer Unsterblichkeit zu denken versucht, der legt sich mit etwas Unvorstellbarem an. Mindestens so unvorstellbar wie eine unendliche Linie. Dass sie nicht nachvollziehbar ist, macht aus der Idee der unendlichen Linie noch keinen Nonsens. Auch nicht – oder besser: schon gar nicht, wenn man diese Linie zu Animationsfiguren formt.
Braucht Disney noch Kinos, um Filme zu vermarkten, oder werden sie von Streaming-Diensten verdrängt?
Nach wie vor muss jeder unserer Filme den Test einer großen Kinoleinwand überstehen. Die Mitarbeiter dieses Films haben zuletzt jeder bei sich zu Hause gearbeitet. Aber dann haben wir „Soul“ gemeinsam in einem Kino gesehen. Nur da kann man alle Details sehen und beurteilen, die auf einem TV-Bildschirm oder auf einem Handy nicht so offensichtlich werden. Daher wollen wir auch, dass möglichst viele Menschen unseren Film auf einer großen Leinwand sehen. Aber auch viele meiner Freunde lieben inzwischen ihr „Heimkino“, wie sie es nennen. Daher wird sich die kommerzielle Auswertung, vor allem der großen und teuren Filme, mehr und mehr auf Streaming-Dienste verlegen. Was mir persönlich sehr leidtut – denn ich liebe das Kino als Ort der Kommunikation.
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