Dirk von Lowtzow: Ein Abc über sich selbst

Dirk von Lowtzow vergleicht sich selbst gerne mit einem Dachs.
Dirk von Lowtzow, Sänger der Band Tocotronic, legt eine Sammlung autobiografischer „Versuche“ vor. Mit Playlist.

Der kreative Kopf und Sänger der deutschen Band Tocotronic, Dirk von Lowtzow (47), hat sein erstes Buch geschrieben. „Aus dem Dachsbau“ ist eine Mischung aus Tagebuch, Traumprotokoll, Poesiealbum, Gedichtband und Märchen. Seine Texte bezeichnet er im KURIER-Interview als „Versuche“.

Das Buch ist im Wesentlichen aus der Arbeit an dem letzten Tocotronic-Album „Die Unendlichkeit“ entstanden. Aus Skizzen und Notizen hat er versucht, eine literarische Selbsterkundung zu basteln. Geworden ist es ein Abc über sich selbst: „Ich hatte nach dem Album den Wunsch verspürt, ein paar Dinge zu vertiefen, die man nicht so einfach in Songs packen kann. Aber in Prosatexte schon, die muss man nicht singen“, sagt der Musiker, der wie so viele seiner Kollegen einen Ausflug in die Literatur macht.

„Kalkpanik“

Dirk von Lowtzow: Ein Abc über sich selbst

Dirk von Lowtzow:„Aus dem Dachsbau“. Kiepenheuer & Witsch. 192 Seiten. 20,60 Euro.
 

Seine nun vorliegenden Kurzgeschichten – von „A“ wie ABBA bis „Z“ wie Zeit – handeln von seiner Kindheit und Jugend in der badischen Einöde zwischen Tuborg Pils und Orientierungslosigkeit, vom Weggehen nach Hamburg, von der Gründung von Tocotronic und vom frühen Tod des engsten Kindheitsfreundes. Aber auch die Gegenwart in Berlin spielt eine Rolle. Man erfährt dabei etwa, dass Dirk von Lowtzow einige Neurosen plagen – u. a. eine „Kalkpanik“. Er muss also ständig putzen.

KURIER: Was hat das Schreiben mit Ihnen gemacht?

Dirk von Lowtzow: Die Versenkung in die Texte hat mir vor allem ein neuartiges Zeitempfinden beschert, dass ich bis dato noch nicht kannte. Man fängt an zu schreiben und – schwups – ist ein ganzer Tag vorüber.

Haben Sie sich irgendwie speziell aufs Schreiben vorbereitet?
Nein. Wahrscheinlich hat sich der Inhalt des Büchleins über Jahre in meinem Gehirn angestaut. Gut, dass dieser ganze Buchstaben-Salat einmal ausfließen konnte.

Der Verlust Ihres Freundes nimmt eine wichtige Rolle im Buch ein. Wie sehr hat sein Tod Ihr Leben, Ihre Sichtweise auf das Leben verändert?
Wir standen uns sehr nahe, und er hat mich in meinem Leben begleitet, seit wir beide ungefähr sechs Jahre alt waren. Sein plötzlicher Tod Anfang der Neunzigerjahre war traumatisch. Als die Idee heranreifte, aus meinen Notizen und Skizzen ein Buch zu machen, wusste ich, dass ein solches Buch auch eine Huldigung an ihn darstellen müsste.

Wie sehr hat Sie Ihre Heimatstadt, die „Schwarzwaldhölle“ Offenburg geprägt?
Meine Prägung ist die eines typischen weißen Mittelstandskindes aus einer deutschen Kleinstadt. Hierin ähneln sich viele Biografien von Musikerinnen und Musikern meiner Generation. Allen gemeinsam ist die Sehnsucht nach einem popkulturellen Zusammenhang, nach Gemeinsamkeit, das Begehren des Überschreitens der kleinstädtischen Grenzen. Pop war die Welt.

Thees Uhlmann hat vor Jahren ein Tocotronic-Tagebuch veröffentlicht. Warum haben Sie das eigentlich nicht geschrieben?
Thees Uhlmann hatte auf den Touren einfach ein bisschen mehr Zeit als ich und er hatte als unser ehemaliger Roady einen guten Beobachterposten. Ich oder ein anderes Mitglied unserer Band wären wohl zu involviert in die ganze Geschichte gewesen.

Die Texte in Ihrem Buch driften oft ins Märchenhafte, Verträumte, Zauberhafte ab. Flüchten Sie gerne in Fantasiewelten?
Als Flucht kann man das, glaube ich, nicht bezeichnen. Es ist eher eine Suche, ein Herumwandern, ein Erforschen von Räumen und Geländen. Fantastisches, Groteskes und Alltägliches liegen dort oft näher, als man denkt. Das Kindliche, das in einem steckt, für sich anzunehmen, das mag banal klingen, spielt aber für mich eine große Rolle.

Sie erzählen oft nicht geradeheraus, sondern flüchten gerne in eine Art Kunstsprache. Warum dieses Stilmittel?
Was das Wort „Kunstsprache“ eigentlich heißen soll, habe ich nie so richtig verstanden. Auch in meinem sogenannten Alltag gehe ich oft nicht geradeaus, sondern nehme Umwege und Abzweigungen, um noch ein bisschen länger laufen zu können. Ich gehe einfach gerne spazieren.

Sie sprechen in Ihrem Buch mit Vögeln. Machen Sie das auch im Alltag?
Das kommt bisweilen vor. Man muss wissen, ich habe ein Vogelhäuschen auf dem Balkon. Oft kann man aus diesem Vogelhäuschen Piepsstimmen hören, und manchmal antworte ich. Es soll ja auch Menschen geben, die mit ihren Pflanzen reden.

Haben Sie ein Lieblingsmärchen?
Wahrscheinlich eines von Oscar Wilde: „Der selbstsüchtige Riese“ oder „Der Geburtstag der Infantin“. Die Mumins finde ich auch gut, aber ich weiß nicht, ob man diese unter Märchen subsumieren kann.

Info: Dirk von Lowtzow liest am 3. 4. im Wiener WUK aus seinem Buch.

Playlist zum Buch - erstellt von Dirk von Lowtzow für den KURIER

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