Spekulationen, die Canellakis unkommentiert lässt. Das Gespräch wendet sich dem Anlass des Gesprächs zu, ihrem Gastspiel in Wien. Mittwoch und Donnerstag standen Konzerte mit den Wiener Symphonikern auf dem Programm. Wie empfindet eine Dirigentin, die an den Pulten von erstklassigen Orchestern steht, den Wiener Klang? „Das ist so schwierig zu beschreiben. Ich liebe es, mit diesem, warmen, reichen Klang zu arbeiten. Das ist etwas, das kann man keinem anderen Orchester beibringen. Aber Sie wissen, dass das auch an den Hörnern und an der Wiener Pauke liegt“, führt Canellakis aus.
„Ich halte es für sehr wichtig, dass wir diese Traditionen hüten, damit wir sie nie verlieren. Sie kennen doch diesen großartigen Autor Yuval Noah Harari? Er sagt, es sind die Geschichten, die wir erzählen, die unsere nächste Generation prägen. Die können bestimmen, ob sie sich für die Liebe oder den Hass entscheiden“, holt Canellakis aus.
Dass das Management bereits vor dem Gespräch wissen ließ, dass Maestra Canellakis herkömmliche Fragen nach Frauen am Pult ablehnt, ist nachvollziehbar. Die folgende Frage aber würde man auch einem von Canellakis’ Kollegen stellen: Ein britisches Klassik-Magazin hat vor einigen Wochen eine Rangliste mit den besten Dirigenten aller Zeiten veröffentlicht. Tote und lebende in einer Liste zusammengefasst und eine Extra-Liste mit Dirigentinnen.
Es zählt nur das Leben
„Ach wissen Sie“, antwortet Canellakis mit einer erfrischenden Coolness, „manche Dinge lese ich gar nicht, mit so etwas wie diesen Listen würde ich mich nicht abgeben und ich fände es schön, wenn Journalisten das auch so machen würden. Musik ist doch kein Sport. Da geht es nicht darum, eine gewisse Punkteanzahl für irgendetwas zu erreichen. Für mich zählt nur das musikalische Leben“, stellt Canellakis klar.
Das zeigte der vergangene Monat. Die Verbindung zur New York Philharmonic hergestellt, im selben Monat gastierte sie bei Chicago Symphony und San Francisco und alle wollen sie wieder holen. Auch Oper werde ihr jetzt immer wichtiger. Diesen Sommer dirigiert sie Richard Strauss’ „Rosenkavalier“ in Santa Fe.
Was ist mit Wien? „Meine Familie und ich machen sehr gerne Urlaub in Österreich, wir lieben es, in die Berge zu fahren, und ich liebe diese chemische Reaktion, wenn sich zwei so verschiedene Elemente reiben, wie meine New Yorker Prägung und die Wiener Tradition. Und wenn ich wieder ein paar Tage in Wien bin, dann spreche ich auch wieder gern Deutsch.“
Kommentare