Diese Kunst ist nicht „klimaneutral“: Oliver Ressler im Belvedere 21
Eine Werkschau vereint Dokumente zur Klimakrise, Chroniken des Protests und Visionen – und unterstreicht das Potenzial der Kunst zur Bewusstseinsbildung
„Which side are you on?“ heißt es in einem bekannten Arbeiterlied aus den 1930er-Jahren, das später als „Sag mir, wo du stehst“ ins Deutsche übertragen wurde. Die dort im Sinne von ausgebeuteten Kohlearbeitern formulierte Ansicht, dass es keinen neutralen, erhöhten Standpunkt geben könne, lässt sich auch angesichts der Klimakrise formulieren, die der Künstler Oliver Ressler lieber „Klimazusammenbruch“ nennen will: Wir stecken da alle gemeinsam drin.
Die Kunstwelt hält dennoch gern an einem erhöhten ästhetisch distanzierten Standpunkt fest – auch wenn diese Idee gerade stark bröckelt. Oliver Ressler macht mit seiner bis 2. 6. im Belvedere 21 ausgebreiteten Werkschau allerdings klar, dass beides, Engagement und Reflexion, durchaus gleichzeitig passieren kann und nicht im Widerspruch stehen muss.
Der museale Rahmen und die durchdachten, über viele Jahre praktizierten Methoden der Bildfindung ergeben bei Ressler eine Klarheit und Eindringlichkeit, die das Gezeigte über schnellen Künstler-Aktivismus hinaushebt: Es wird eine andere Qualität des Nachdenkens geboten.
„Klimazusammenbruch“
Inhaltlich steht Ressler fest auf der Seite des Anti-Establishments, aus den vielen Facetten seines Tuns hat das Belvedere 21 den Fokus auf das Klimathema herausgearbeitet – auch, weil das Haus damit an die heurige Wiener „Klimabiennale“ (ab 5. April) andockt.
Etliche Filme hat der 1970 geborene Künstler dem Themenkomplex gewidmet: Der jüngste, „Climate Feedback Loops“, verdichtet Landschaftsaufnahmen aus der von rasanter Erwärmung betroffenen Arktis mit Informationen zu dem Verstärker-Effekt, der die Temperaturen im hohen Norden noch stärker anschwellen lässt. Ein weiterer Film namens „Anubumin“ erzählt von der Insel Nauru, die durch den Raubbau an Bodenschätzen unfruchtbar wurde, später zur Geldwäsche und zum Wegsperren von Geflüchteten diente – und nun durch den steigenden Meeresspiegel zu versinken droht.
Die Frage „ist das Kunst, Aktivismus oder Journalismus?“ liegt bei Ressler öfters nahe – im Belvedere 21 wird die Identität seiner Arbeit als Kunst aber doch deutlich. Ungeachtet der kritischen Agenda gehorchen Resslers Filme, Fotos, Zeichnungen und Objekte ganz eigenen Gesetzen, und sie schließen an konkrete künstlerische Traditionen an. Landschaftsbilder und ein Realismus in der Darstellung sozialer Umstände waren immer auch politische Vehikel, in den 1990er-Jahren wurde das Genre von Konzeptfotografen wie Allan Sekula neu gedacht: Ressler setzt auf solchen Ideen auf.
Ideen, die kleben bleiben
Vom Beschütten von Kunstwerken im Museum hält der Künstler übrigens nichts, wie er im Gespräch betont. Auch sei der aktivistische Angriff auf einzelne Konsumentinnen und Konsumenten in seiner Sicht „strategisch nicht so klug“, die größten Emittenten seien nämlich Großkonzerne. „Wie Sie in der Ausstellung sehen können, fokussiere ich auf klimazerstörerische Infrastrukturen“, erklärt er.
In der Bildserie „Reclaiming Abundance“ hat Ressler einige solcher Strukturen mit seiner Vision für das Jahr 2050 überformt: Das Kombikraftwerk Mellach, das Magna-Steyr-Werk in Graz oder das Autobahnkreuz Bruck an der Mur erscheinen da als grüne Möglichkeitsräume. Man wird einiges für utopisch halten – aber auch erkennen, wie sich das Bewusstsein für das, was möglich und nötig ist, unaufhaltsam wandelt.
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