Wilsons "Dschungelbuch": Die zivilisierte Welt – eine Halde mit Computerschrott
Nach „Peter Pan“ und „Alice im Wunderland“, nach „The Black Rider“ (beziehungsweise „Freischütz“) und der „Edda“ war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Robert Wilson auch dem „Dschungelbuch“ von Rudyard Kipling annehmen würde. Und zum bereits vierten Mal arbeitete er mit dem Musikerinnen-Duo CocoRosie zusammen: Im Auftrag des Théâtre de la Ville in Paris entstand, wie zahlreiche Male davor mit Lou Reed, Tom Waits, David Byrne oder Herbert Grönemeyer, ein Musical abseits des Mainstreams, ein hoch artifizielles, dennoch eingängiges und einnehmendes Musiktheaterspektakel.
Die Uraufführung von „Jungle Book“ fand vor eineinhalb Jahren statt. Eigentlich hätte man sich ein Gastspiel bei den Wiener Festwochen erwarten dürfen. Im Mai 2019 hatte das Festival ja auch Robert Wilsons grandiose Umsetzung von „Mary Said What She Said“ präsentiert – mit einer atemberaubenden Isabelle Huppert, die als Maria Stuart über den unsäglichen Text von Darryl Pinckney hinwegtröstete.
Aber das Festspielhaus St. Pölten stieg als Co-Produzent ein. Und Brigitte Fürle, der Intendantin, gelang es tatsächlich, ihren bereits in Lockdown-Zeiten verkündeten Plan zu realisieren. Mit Wilsons „Jungle Book“ in der Originalfassung wurde am Samstag das Haus nach sechsmonatiger Schließzeit wiedereröffnet: Songs in Englisch, Texte in Französisch, Übertitelung schwer lesbar.
Das beinhart durchgezogene Sicherheitskonzept vermochte zu überzeugen, auch wenn man ein wenig übers Ziel schoss. Denn es gab, um jeden Kontakt zu vermeiden, nicht einmal ein Programmheft zu kaufen. Und dass zur genau gleichen Zeit im Landestheater eine Premiere stattfand, kann man nur als Schildbürgerinnenstreich bezeichnen.
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