Das berührende Porträt eines Ehepaars, das gemeinsam Alzheimer trotzt

Die unendliche Erinnerung. Nein, rührselig ist hier nichts. Im Gegenteil: Ein leichter, immer mit (Galgen-)Humor versetzter Ton zieht sich durch diese wunderbar unspektakuläre Geschichte von Augusto und seiner Paulina.
Augusto Góngora war ein Star-Journalist und prominenter Chronist der Verbrechen des Regimes von Augusto Pinochet. Ein Mann, den die Menschen mochten und respektierten. Nun ist er krank und verliert sich immer mehr: Bei Augusto wurde Alzheimer diagnostiziert.
Doch seine Frau Paulina Urrutia und er lassen sich nicht unterkriegen von diesem verflixten Krankheitsmonster, das ihm seine Identität rauben will. Sie kämpfen gegen das Vergessen, reden und reden, schwelgen in dem, woran sie sich noch gemeinsam erinnern können. Ein täglicher Kampf, ein Wettlauf des Geistes gegen den unaufhaltsamen Niedergang.
Paulina, die ehemalige Kulturministerin, badet Augusto, kleidet ihn an, geht mit ihm spazieren. Man sieht ihn, wie er ganz langsam und wackelig Rad fährt, wie er Gymnastik macht. Sie sehen sich Ausschnitte aus einem Film von Raul Ruiz an, in dem Augusto eine kleine Rolle spielte. Sie zeigt ihm ein Foto von ihrer Hochzeit – er erkennt sich und sie nicht. Irgendwann sagt er, der einst so wortreiche und schlagfertige Intellektuelle, resigniert: „Ich hab kein Hirn mehr“.
Liebe zu Büchern
Was Augusto noch geblieben ist, ist die Liebe zu seinen Büchern. Tausende hat er gelesen, gesammelt, in seinem Haus archiviert. Wie seine Kinder sind sie: Wenn er eines in die Hand nimmt, streichelt er liebevoll darüber. Eine seiner größten Ängste sei, dass ihm jemand die Bücher wegnehmen könnte, sagt er.
So reiht sich eine zärtliche Szene an die andere und es wird nie langweilig. Die 85 Minuten des Films sind mit so viel Tiefe und Gefühl erfüllt, dass sie noch lange nachwirken.
Und sie sind, obwohl das Thema ein trauriges ist, hoffnungsvoll. Wenn Paulina Augusto von ihrem ersten Rendezvous erzählt, erwachen seine Lebensgeister. Er kann sich an die flirrende Atmosphäre dieser Begegnung erinnern, an dieses aufregende Gefühl der Verliebtheit. Gefühle bleiben einem, sie sind nicht auszulöschen.
Bis zum Ende begleitet Maite Alberdi das Paar und man ist mindestens genauso traurig über Augustos Tod im Mai 2023 wie darüber, dass diese berückende Chronik einer Liebe zu Ende ist.
Die unendliche Erinnerung. CL 2023. 85 Min. Von Maite Alberdi. Mit Paulina Urrutia, Augusto Góngora.
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