Die Toten Hosen in Wien: Stadionrock gehört halt ins Stadion

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Die Toten Hosen feierten in Wien vor 35.000 Menschen eine würdige Party zum 40. Bandjubiläum. Inklusive Schmankerl für Ärzte-Fans. Mit Setlist.

„Wir sind bereit seit 40 Jahren, bleiben Sieger gegen die Zeit“ - das singen die Toten Hosen im Song „112“ auf ihrem im Mai erschienen Jubiläums-Album.

Und tatsächlich: Die Düsseldorfer Band, die aus dem Punkrock der Achtziger kam, und längst zum massentauglichen Stadionrock gefunden hat, erweist sich als unverwüstlich.

Angeführt von Sänger Campino, der vor wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag feierte, lieferten die „Hosen“ beim KURIER-Konzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion eine rund zweieinhalbstündige Show, die keine Songwünsche offen ließ.

35.000 Menschen, nach zwei verschenkten Pandemiejahren hungrig nach Livekonzerten, waren gekommen. Einige ergraute Häupter waren zu sehen, aber auch viele nachgewachsene Fans und zum Teil hieß es: Bring your Family! Auch Kinder im Volksschulalter streckten die Arme aus nach dieser Band. Und ein Punk mit Iro-Haarschnitt zog seine Runden (wird eigentlich immer genau einer als Botschafter vorbeigeschickt?).

Effektvoll

Los ging es mit einem knallig-effektvollen Italo-Western-Intro („3 Akkorde für ein Halleluja“), das über die riesige Videowall flimmerte. Dabei wurden die Gitarristen Andreas „Kuddel“ von Holst und Michael „Breiti“ Breitkopf, sowie Bassist „Andi“ Meurer, Schlagzeuger Vom Ritchie und Andreas Frege (Campino) wie Western-Stars vorgestellt.

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"Andi" Meurer, Campino, "Kuddel" und "Breiti" (v.l.n.r.)

Auch wenn es mit „Alle sagen das“ einen neuen druckvollen Song als Opener gab, war die Liste an mehr als dreißig Liedern freilich ein Streifzug durch die gesamte Bandgeschichte. Zum 34. Mal spielten die Toten Hosen in Österreich (Campino: „Ich dachte, es wäre mehr gewesen“), 1984 traten sie noch vor ein paar hundert Leuten im U4 auf.

Familie

Nun ist alles größer, mit zig Kameras und Bengalen-Pyroshow (bei „Pushed again“) aufgeblasen, aber das Grundkonzept ist das gleiche geblieben. Alles maximal nah an den Fans gebaut, und die fühlen sich wie eine große Familie. Und Campino, dem scherzweise ein "Trinkverbot" (bis zum ersten Spritzer) auferlegt worden sei („Damit ich nicht zu viel labere“), stellt diese Nähe immer wieder her. Fast jeder Song wurde von ihm angekündigt und eingeordnet.

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Hommage an Happel

„Draußen vor der Tür“ widmete er seinem verstorbenen „Vadder“, „112“ der Düsseldorfer Feuerwehr, und das Schmählied „Bayern“ überraschend der Fußballlegende Ernst Happel. Campino der gern seine Liebe zum Fußball zelebriert, stellte den "Grantler" ("ich darf Ernst zu ihm sagen") in eine Reihe mit Martin Luther King Jr., Mahatma Gandhi und Albert Einstein. Happel ging bekanntlich auch nie zum FC Bayern, in Wien wurde aus der Textzeile „Und es bleibt ja immer noch Gott“ kurzerhand „Und es bleibt ja immer noch Rapid“.

Happel ist freilich auch Namenspate der Location, die kurzfristig geändert werden musste. Aus genehmigungstechnischen Gründen mussten die Fans von der Krieau aus quasi nur die Straßenseite wechseln. Und das Stadion steht dem Stadionrock der Hosen und deren Faible für Fußball ausgezeichnet. Dennoch entschuldigte sich Campino und dankte fürs unkomplizierte Klarkommen mit der Verlegung. Er versprach: „Wir reißen uns für euch den Arsch auf!“

Und das taten die Herren mitunter mit punktypischer Höchstgeschwindigkeit wie bei „Liebeslied“, „Halbstark“ oder „Auswärtsspiel“ („Olé olé olé ola“). Längst hatten sich im Oval einzelne Circle Pits gebildet.

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Es durfte aber zwischendurch sommerlich gut gelaunt sein („Wannsee“) und auch Balladen wie „Kamikaze“ nahmen hin und wieder Tempo heraus.

Zu diesem Thema sagte Campino: „Wir hören erst auf, wenn wir ein Liebeslied geschrieben haben, wo alles gut ausgeht.“ Aber „keine Sorge“, meinte er, bei der letzten, die sie geschrieben haben, „explodiert am Ende wieder alles“.

Explosiv

Explosiv wirkte auch das Hymnenmaterial, das die Hosen in ausgiebiger Zahl anzubieten hat: „Bonnie & Clyde“, „Altes Fieber“, „Du lebst nur einmal“, „Wünsch dir was“ - nicht nur ein Mal wurde das lauthals intonierende Publikum zum Hauptdarsteller. Hin und wieder drangen da in der nicht ganz problemfreien Stadion-Akustik die Gitarren nicht richtig durch.

Die Band ist aber nach wie vor blendend in Schuss. Ein paar Meter weniger dürfte Campino mittlerweile abspulen. Aber wer will’s ihm verdenken, wenn die Bildregie der Videowall ohnehin für zusätzliche Dynamik sorgt.

Nachdenkliche Worte fand er zur gegenwärtigen Weltsituation. Corona „ballert immer wieder Leute aus dem Team raus“ und er erinnerte an den Krieg in der Ukraine: „Da kann jederzeit, ob gewollt oder nicht, ein AKW getroffen werden und dann ist die Sache hier zu Ende. Insofern versuchen wir hier jeden Abend zu feiern, als könnt’s der Letzte sein. Und wir bilden uns auch ein, das bei euch zu spüren, dass man einfach viel, viel mehr spürt als früher, wie wertvoll und fragil unsere Freiheit ist und dass wir sie jeden Tag würdigen sollten.“

Höhepunkt

Dies tat man mit Songs wie „Unter den Wolken“ und vor allem bei „Steh auf, wenn du am Boden bist“. Hier war die Choreografie besonders stimmig. Das gesamte Stadion setzte sich auf den Boden und beim ersten Refrain riss es alle nach oben. Die Stimmung näherte sich nun dem Höhepunkt.

Es folgte „Alles aus Liebe“. Bei dem Song, der einen erweiterten Selbstmord thematisiert, könnte man vielleicht auch einmal Worte über toxische Männlichkeit verlieren. Aber hey, es ist Stadionrock! Der Hosen-Klassiker „Hier kommt Alex“ hat mit krasser Jugendgewalt ebenfalls ein schwieriges Thema, und ist nach wie vor der größte Knaller im Programm. Der Fangesang musste bis Nickelsdorf zu hören gewesen sein.

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Im Zugabenteil wurde dann endgültig eine mitreißende Geburtstagsparty gefeiert, „bis zum bitteren Ende“.  Bei „Alles passiert“ entzündete das Publikum einmal mehr ein Handy-Lichtermeer.

Ärzte-Schmankerl

Als besonderes Schmankerl lieferten die Hosen eine astreine Coverversion des Ärzte-Hits „Schrei nach Liebe“. Sagt da noch wer was von Rivalität? Unlängst in Düsseldorf standen die Ärzte sogar mit Campino & Co. gemeinsam auf der Bühne. Nun spielte man eben einen Song als Promo für die "Nachwuchsband" aus Berlin, wie Campino liebevoll scherzte.

Beim unvermeidbaren Sauflied durften die Fans per Jubel abstimmen, was gespielt wird. „Jägermeister“ setzte sich da gegen „Eisgekühlter Bommerlunder“ durch.

Dann hieß es „Schönen Gruß, auf Wiederseh’n“, aber nur bis zum zweiten Zugabenteil.

Ungezählte Male wurde „Tage wie dieser“ an diesem Ort bei Länderspielen abgespielt, aus den Kehlen von Campino und den Hosen-Fans klingt diese Hymne halt doch am Schönsten.

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Nach „Achterbahn“ (hier ersparte Campino dem Publikum die Abstimmung gegen „Komm’ mit uns“) wurde noch das nicht sehr geheime Erfolgsrezept der Band vorgetragen:  „Weil wir Freunde sind.“

Rausschmeißer

Die Liverpool-Hymne „You'll Never Walk Alone“ wäre eigentlich der ideale Aussischmeißer gewesen, aber man ließ es noch einmal unbeschwert krachen. Denn als allerletzte Draufgabe kam er dann doch noch, der „Eisgekühlte Bommerlunder“, nicht zu vergessen die zwei belegten Brote, „eins mit Schinken, eins mit Ei“. Mit einem irrwitzig schnellen, krachenden Finale schickte Campino die bierseligen Fans auf den Nachhauseweg, damit es noch "was zum Nachdenken" gebe, sagte er im Scherz.

"Danke Wien!" schrie er, aber das allerschönste Kompliment hatte er da den Fans schon längst gemacht: „Es gibt nichts Schöneres als in so viele lachende Gesichter zu sehen und zu beobachten, wie ihr euch gegenseitig immer wieder hochzieht.“

Vollends zufrieden strömten diese Gesichter nach dieser gelungenen Party in die Nacht hinaus.

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