Von Silvia Kargl
Zuletzt wurden aus den Reihen ihrer Compagnie Rosas Vorwürfe gegen die Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker erhoben, unter anderem hätte sie „ein Klima der Angst“ verbreitet. In einem Statement auf der Website (www.rosas.be) wird betont, dass die Kreationen stets in einem „sicheren und respektvollen Umfeld“ erfolgen.
In ihrer Lecture Performance „Vocabularium“ bei ImPulsTanz am Sonntag im Odeon war die Choreografin, Regisseurin und Tänzerin mit Einblicken in die sich über mehr als 40 Jahre erstreckende Entstehungsgeschichte ihrer Stücke zu erleben. Sie gab dabei auch Beispiele für ihre Arbeitsweise. Dazu bat sie zwei Freiwillige auf die Bühne, und stellte den jungen Tänzerinnen die naheliegende Frage „Darf ich Dich berühren“? Erst nach der Bejahung zeigte Keersmaeker, wie sie ihren Bewegungsfluss in Gang bringt. Oft basieren ihre Choreografien auf Alltagsbewegungen.
De Keersmaeker konzipierte die Lecture Performance 2023 für eine Ausstellung im Modemuseum von Antwerpen, und so spielen Kostüme eine entscheidende Rolle. Wie in einem Archiv hängen sie auf Kleiderständern an den Bühnenseiten.
Gleich am Beginn hält sie fest, dass die Musik eine große Rolle spielt. Diese wird fortan im Kontext mit den einzelnen Stücken fachkundig von ihr beschrieben. Die Kostüme werden in Videos mit Sequenzen aus den Stücken von den langjährigen Ensemblemitgliedern Cynthia Loemij und Boštjan Antončič getragen, De Keersmaeker greift Loemijs Bewegungen live auf. Tatsächlich schrieben die Kostüme Theatergeschichte, seit den 1990-ern arbeitet De Keersmaeker mit dem Modeschöpfer Dries Van Noten zusammen.
Knielange Kleider
Die auf den ersten Blick einfachen, knielangen Kleider von „Fase“ 1982 waren in Verbindung mit flachen Schuhen und Sneakers völlig neu für den Tanz. De Keersmaeker beschreibt deren Bedeutung, geht neben der Rolle von Farben in Details wie die Strukturierung der Entwürfe, die Einfluss auf das Verhältnis von Ober- und Unterkörper hat, oder auf die Verbindung der ausgewählten Stoffe mit der Bewegung. Da fällt der Begriff des „Feel Good“ als Notwendigkeit, und die Frage der Nachhaltigkeit wird aufgegriffen. Dazwischen erwähnt sie, dass sie es immer gehasst habe, als Feministin bezeichnet zu werden. Die Stärke der Frauen ist für sie eine Selbstverständlichkeit, die sich darin widerspiegelt, dass ihre frühen Stücke für und mit Frauen kreiert wurden.
Inspirationen kommen neben Musik und Mode aus verschiedenen Bereichen, etwa von Skulpturen oder aus dem Tierreich. De Keersmaeker verweist auch auf ihre Opernregien, auf Anregungen aus Literatur und Geschichte, auf ihre Beziehung zu Wien. Sie ist eine vielseitig interessierte Künstlerin, die an diesem Abend einmal mehr die Intensität ihrer Arbeit für den Tanz bewies.
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