"Die Spiegelreisende": Ein Zauber wie damals bei Harry Potter

"Die Spiegelreisende": Ein Zauber wie damals bei Harry Potter
Die Französin Christelle Dabos (Bild) ließ Gott die Welt zerbrechen. Die Serie ist auf vier Bücher angelegt.

Das fängt ja gut an: Gott war schlecht drauf  und hat sich an der Erde abreagiert.
Als die Französin Christelle Dabos an Krebs erkrankte, Kieferkrebs, und sich auf eine lange Genesungszeit einzustellen hatte, begann sie die Serie „Die Spiegelreisende“ zu schreiben.
Fantasy, auf vier Bücher angelegt. Band zwei ist für Juli terminisiert, Band drei für November.
Zitat: „... Und eines Tages, als Er äußerst verstimmt war, beging Er eine ungeheure Torheit.
Gott brach die Welt in Stücke.“

Patschert

In 21 Teile, Archen genannt, die um den verblieben Erdkern kreisen. Mittels Zeppelin kann man von Arche zu Arche reisen. Passiert  aber selten. Passiert, weil Ophelia von der Arche Anima mit dem Finanzkanzler Thorn  von der kalten Arche Pol  zwangsverheiratet werden soll.
Ophelia ist älter als Harry Potter, schüchterner, patschert – aber wie er Held wider Willen; und kurzsichtig.
Sie kann Dinge „lesen“: Ophelia berührt sie und kennt deren Geschichte, auch die Geschichte der alten und neuen Besitzer.  Das macht sie gefährlich. Das macht sie begehrt.
Auf Ophelias Arche haben Gegenstände etwas Eigenleben. Häuser können einen Balken fallen lassen, gefällt ihnen ein Besucher nicht.
Und Ophelias Schal liegt zwar auf ihr wie ein Kätzchen – am Hals eines anderen könnte der Schal Strangulierungsgelüste bekommen.
Bei Harry Potter gab’s ja auch den Sprechenden Hut ...aber die einzig augenfällige Parallele zu Joanne K. Rowlings Büchern  ist:
Ein derart schöner Zauber liegt  in der Luft, erstmals seit jenem Tag, als Harry an Bahnsteig Neundreiviertel in den Hogwarts Express stieg  – ein Zauber für junge Menschen genauso wie für leider schon reife.

Keine Krallen

Es gibt in diesem Buch nicht DAS Böse. Aber sehr viele Menschen, denen man nicht vertrauen darf.
Auf der Arche Pol ist alles Täuschung. Nicht einmal der Regen macht nass. Die schöne Berenilde kann ihre Krallen ausfahren und dich verletzten, ohne Krallen zu haben.
Christelle Dabos hat keine langweilige Vorstellung ihrer Welten vorangestellt. Das ist ihr hoch anzurechnen. Sie schafft Erklärungen, während man immer tiefer in die Erzählung gezogen wird.
In Band eins ist die Frage, wer etwas davon hat, wenn Ophelia und Thorn heiraten. Beide haben keine Freude.
Nun ist es  nicht unbedingt klug, in heutigen Tagen, in denen man sich Wissen aneignen sollte, um die Falschheiten zu erkennen, so weit beim Lesen  zu entrücken. Aber  was soll’s, „Die Spiegelreisende“ tut einfach gut.
PS: Möglicherweise wurde Gott bestraft, weil er sich nicht um die Erde kümmerte, im Gegenteil.
Möglicherweise ist er gar nicht allmächtig. Möglicherweise ist er deshalb nie mehr gesehen worden.


Christelle
Dabos: „Die
Spiegelreisende Band1 - Die
Verlobten des Winters“
Übersetzt von
Amelie Thoma.
Insel Verlag.
535 Seiten.
18,50 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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