Die Schöpfung: Gott macht Regietheater

Die Schöpfung: Gott macht Regietheater
George Taboris „Goldberg-Variationen“ im Wiener Volkstheater wurde mit herzlichem Applaus goutiert.

Wer ist dieser "Mr. Jay", der da in George Taboris brillant aberwitzigem Stück "Die Goldberg-Variationen" seine Ego-Blähungen auslebt? Ist er ein Theaterregisseur, der sich für Gott hält? Oder ist er Gott selbst (Jay = J = Jahve), der seine Schöpfung als Theaterstück inszeniert?

Die Antwort: Er ist natürlich beides. Beziehungsweise nichts davon. Beziehungsweise: Völlig wurscht, und jetzt weiter im Text, schließlich befinden wir uns in einem Tabori-Stück.

Die Handlung: Mr. Jay möchte in einem Theater in Jerusalem in nur sieben Tagen sein neues Stück auf die Bühne bringen – die gesamte Geschichte der Bibel, von der Erschaffung der Welt bis zur Kreuzigung Jesu. Aber, wie das so ist im Theater wie im richtigen Leben: Nichts funktioniert wie geplant. Mr. Jay muss sich mit renitenten Schauspielern und aufsässigen Kostümbildnerinnen herumschlagen. Andererseits treibt er seine Mitarbeiter mit immer absurderen Regieeinfällen zum Wahnsinn. Das Chaos bricht aus, und die Grenzen zwischen Theater und Realität lösen sich auf.

Opfer

In dem ganzen Irrsinn gibt es ein Opfer, das immer die Schuld auf sich nimmt und sich von Mr. Jay demütigen lässt: Goldberg, sein ungeschickter Regieassistent, ein KZ-Überlebender.

Tabori schrieb hier einen ebenso drastisch komischen wie weisen, zutiefst jüdischen Text: Denn es ist jüdische Tradition, mit Gott zu hadern, Fragen zu stellen. Untersucht wird das Verhältnis von Gott zu Mensch, von Vater zu Sohn. Warum geht den Menschen alles schief? Warum muss sich der Sohn vom Vater alles gefallen lassen – sogar die absurde Idee, um eines theatralischen Effekts wegen gekreuzigt zu werden? Taboris Text ist ebenso blasphemisch wie liebevoll – so würdevoll und gleichzeitig voller Witz wurde selten mit Gott gerungen.

Regisseur Stephan Bruckmeier hat diesen Text sehr klamaukhaft in Szene gesetzt. Als er wegen der Erkrankung eines Schauspielers selbst einspringen muss (Direktor Michael Schottenberg kündigt das in einer witzigen Ansprache an), passt das so perfekt in die Handlung, dass man zunächst an einen Regieeinfall glaubt.

Rainer Frieb ist ein wunderbar selbstverliebter, eitler Mr. Jay, Ronald Kruste ein berührender, großartiger Goldberg. Claudia Sabitzer brilliert in gleich vier Rollen. Jan Sabo, Günther Wiederschwinger und Regisseur Bruckmeier sind als geplagte Schauspieler herrlich komisch. Herzlicher Applaus.

KURIER-Wertung: **** von *****

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