Die „Reise der Bilder“ zeichnet das Lentos in Linz nun, als Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr von Bad Ischl und weiteren 22 Gemeinden des Salzkammerguts, nach. Man fühlte sich dazu berufen: Der Gründer des Stadtmuseums war der Kunsthändler Wolfgang Gurlitt (1888– 1965), der mit den Nationalsozialisten erfolgreich kollaboriert und 1940 Bad Aussee zu seiner Wahlheimat erkoren hatte. Zudem hätte in Linz das „Führermuseum“ errichtet werden sollen, bestückt mit Hitlers privater Kunstsammlung, das Gros davon geraubt oder enteignet.
Elisabeth Nowak-Thaller, Vizedirektorin des Lentos, und Birgit Schwarz, Spezialistin für das „Führermuseum“, berichten also in ihrer fulminanten, vielschichtigen Ausstellung über eine atemberaubende Geschichte. Aber sie erzählen nicht nur: Sie machen im Rahmen einer Kunstausstellung die Dimension spürbar. Auch wenn sie im Endeffekt nur rund 80 Originale präsentieren können.
Der Oberlichtsaal wirkt aber recht angeräumt. Einerseits, weil die Kuratorinnen bewusst mit der dichten „Petersburger Hängung“ spielen (was Hitler verabscheut hätte). Und andererseits, weil sie Henrike Naumann das Zentrum für eine Neuaufstellung ihrer tatsächlich raumgreifenden Installation „Ruinenwert“ überlassen, die sich auf die „Ruinenwerttheorie“ von Albert Speer (Lieblingsarchitekt des Führers) bezieht.
Die 1984 in der DDR geborene Künstlerin empfindet mit Witz den Salon von Hitlers Berghof über Berchtesgaden nach: mit akkurat arrangierten Sitzmöbel-Ensembles voll absurder Details. Die meisten der kleinbürgerlich oder industriell-rustikal wirkenden Stücke stammen aus den 70er- oder 80er-Jahren, aber für das Lentos hat sie diese um eine Wiege aus 1941 ergänzt: „Für Volk und Vaterland“ steht in Fraktur darauf.
Hitlers Alpen glühen
Abgeschlossen wird das Bühnenbild von typisch postmodernen Regalen und Glasschränken mit vielen Zacken. Diese „Skyline“ symbolisiert das Panorama vom Berghof aus – inklusive des Hohen Gölls. Just dieses Massiv (bei Alpenglühen) entdeckt man an der Wand rechts neben dem Eingang. Hier präsentieren die Kuratorinnen neben Fakten über den Kunstraub und das Führermuseum jene Werke, die aus dem Ausland nach Altaussee in Sicherheit gebracht wurden, darunter 70 Gemälde der Münchner Galerie Schack. Diese war berühmt für einst verkannte, von Hitler verehrte Künstler wie Carl Rottmann, der den Hohen Göll gemalt hatte.
Bei einigen der ausgestellten Werke ist die Provenienz nicht lückenlos erforscht: Sie könnten durchaus restitutionswürdig sein. Dies gilt auch für das Hans-Markart-Stillleben mit Violine (von Johann Strauß) aus 1876, das dem österreichischen, nach Paris emigrierten Galeristen Hugo Engel gehört hatte. Es befindet sich seit 1986 unter der Obhut des Musée d’Orsay. Es wäre durchaus im Sinn der Kuratorinnen, wenn ihre penibel aufbereitete Schau zur Klärung beitragen könnte – etwa bei den Großformaten an der Schmalseite, die erstaunlicherweise niemandem abgehen. Sie waren, fürs Führermuseum bestimmt, in Kremsmünster untergebracht, mussten aber wegen Bombengefahr evakuiert werden.
Fünf Meter Schnee
Weil sie nicht in die engen Stollen passten, kamen sie zunächst nach Thürnthal bei Fels am Wagram. Im Februar 1945 sollten sie nach Aussee verbracht werden. Wegen der starken Schneefälle war der Pötschenpass unpassierbar, daher stellte man die insgesamt 17 Großformate im Festsaal des Gasthauses Petter in St. Agatha bei Bad Goisern ein. Und man vergaß auf sie. Erst 1947 beschwerte sich der Wirt: Er brauche den Saal nun wieder selbst für Feiern.
Die Ölschinken standen dann in Linz „zur Rückstellung bereit“. Weil der „Collecting Point“ jedoch aufgelöst wurde, verblieben sie am Landesmuseum und wurden in den 1960ern inventarisiert. Bisher konnte man nur ein Gemälde restituieren.
Spannend ist auch die Geschichte vom Geheimtransport der Wiener Schätze von den Notlagern Gaming und Steinbach mit dem Zug nach Ischl und von dort bei fünf Metern Schnee mit dem Ochsenkarren in den Lauffener Franz-Josef-Erbstollen.
Die Museen hatten ihre Kunstwerke in drei Kategorien eingeteilt, nur die A-Qualität wurde gerettet. Die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste misstraute der Sache allerdings – und degradierte viele A-Werke zu C. Das war – retrospektiv – keine gute Idee gewesen: Eine Bombe schlug in das Gebäude am Schillerplatz ein und vernichtete 650 Kunstwerke. Die anderen Museen hingegen hatten (fast) keine Verluste zu beklagen: Die Bergungen waren letztlich sinnvoll. Bis 8. 9., toller Katalog.
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