"Die perfekte Zeitung gibt es nicht"

Warum er nur auf Qualität setzt und weshalb es in der Schweiz anspruchsvolleren Journalismus als in Österreich gibt, erklärt der Chefredakteur der NZZ am Sonntag.

Felix E. Müller ist Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag mit einer Auflage von rund 140.000 Exemplaren.
Er hat nicht viel Zeit, weil er sich noch gewissenhaft auf einen Vortrag vorbereiten will. Doch die reicht: Müller, Herr über 50 Redakteure und mehr als 20 Korrespondenten, formuliert kurz, prägnant und analytisch.

KURIER: Wie wichtig ist der Sonntag für eine Zeitung?

Felix E. Müller: Der Sonntag ist der mit Abstand beste Tag der Woche. Weshalb? – Die Leute haben Zeit zu lesen. In die Kirche gehen sie nicht mehr. Aber dieses Bedürfnis, einen Moment der Besinnung in der Hektik der Woche zu beachten, das wirkt sich positiv auf den Medienkonsum aus.

Das Bedürfnis, nach einem Printprodukt zu greifen?
Ich denke, die Leute wollen am Sonntag ein anderes Medium nutzen als unter der Woche. Sie surfen unter der Woche im Internet – das ist für Sie wie Arbeit. Vor einem Computerbildschirm zu sitzen, ist ja eine sehr unsoziale Sache. Am Sonntag sitzen die Paare oder die Familie dann an einem Tisch und reden miteinander: Da ist eine andere Stimmung.

Sie setzen in der NZZ am Sonntag ausschließlich auf große Reportagen, Analysen, Hintergründe.
Grundsätzlich kann man nur mit Qualität punkten. Bei uns sind alles original recherchierte Geschichten, die Sie sonst noch nirgends gelesen haben. Lauter Primeurs, wie wir sie nennen. Die Redaktion hat Zeit, sich zwei, drei Tage nur mit einem Thema zu beschäftigen.

Warum gibt es Ihrer Meinung nach in der Schweiz einen viel ausgeprägteren Qualitätsjournalismus als in Österreich?
Ich denke, das hat mit der politischen Kultur zu tun. Das System der direkten Demokratie hat in den Genen der Schweizer eingeprägt, dass man sich über den Verlauf der Dinge informieren sollte. Die Leute müssen wissen, was läuft, das ist ganz banal. Das produziert ein höheres Interesse an Mediennutzung. Wir müssen alle drei Monate abstimmen über hunderterlei Dinge. Das ist ein ständiger Dialog, der mit der Bevölkerung läuft. Er stärkt einfach die Bedeutung der Medien.

Dann ist die Schweiz auch ein extrem kleinräumiges Land. Jeder Kanton hat seine eigene Kultur und seine eigenen Probleme. Das ergibt dann auch die Kleinräumigkeit der Medienlandschaft. Es gibt mittlerweile sechs Sonntagszeitungen, die meisten davon sind regionale Titel. Dass sich so viele Zeitungen halten in der Schweiz, ist ein Zeichen des Wohlstands. Dem Land geht es ökonomisch gut, das heißt, die Firmen haben Geld, um Werbung zu schalten. Die Firmen suchen ständig Arbeitskräfte. All das hat sicher auch Einfluss auf die Medienvielfalt.

Was ist für Sie die perfekte Zeitung?
Die gibt es nicht. Die versuche ich jede Woche zu machen. Dann sitze ich jeden Sonntag da, lese meine eigene Zeitung und denke, das müssen wir noch besser machen. Am Montag gehe ich ins Büro und sage mir: Jetzt passiert’s, um es dann wieder nicht zu schaffen. Aber wenn man den Anspruch verliert, dann macht man keine gute Zeitung mehr.

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