Die Lust am Unvollendeten

Bewusst unfertig? Taddeo Zuccari, Satyr, 16. Jahrhundert
Die Schau "Zurück in die Zukunft" zeigt Zeichnungen seit 1500.

Wohin man in der Kunstwelt schaut – das Verhältnis von Privatsammlungen und öffentlichen Kulturinstitutionen ist allerorts Thema.

In der Kunsthalle Krems versucht man schon seit Langem, durch das Ausstellen privater Bestände an hochwertige Kunst zu kommen. Die aktuelle Schau "Zurück in die Zukunft" (bis 29. 6.), die einen umfassenden Einblick in die Sammlung des Münchener Galeristen-Ehepaars Bernd und Verena Klüser gibt, zeigt Potenziale wie auch Gefahren dieses Unterfangens.

Entlang der Sensibilität der Sammler, die stets das Unfertige und Spontane in Bildern suchten, sind hier in vieler Hinsicht großartige Entdeckungen zu machen. Doch die stringente These franst in den Ausstellungsräumen zunehmend aus und wird zum Spiegel einer Sammlerbiografie: Als Galerist hat Klüser Kunsttrends der vergangenen Jahrzehnte schließlich aktiv mitverfolgt, hat Künstler promotet und sich Kaufgelegenheiten nicht entgehen lassen.

Bilder der Ausstellung

Die Lust am Unvollendeten

Kunsthalle Krems
Die Lust am Unvollendeten

Kunsthalle Krems
Die Lust am Unvollendeten

Kunsthalle Krems
Die Lust am Unvollendeten

Kunsthalle Krems
Die Lust am Unvollendeten

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Kunsthalle Krems
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Kunsthalle Krems
Die Lust am Unvollendeten

Zurück in die Zukunft…
Die Lust am Unvollendeten

Taddeo Zuccaro Satyr, 16. Jhdt. © Sammlung Klüse…

Übervater Beuys

Klüser selbst kommt immer wieder auf Joseph Beuys, mit dem er in den 1970er-Jahren zusammenarbeitete, zu sprechen. Für Beuys, so Klüser, war eine Zeichnung "nie Selbstzweck, sondern ein Handwerkszeug, um sich über die sprachlichen Möglichkeiten hinaus auszudrücken." Als eine Kunstform, die dem Denken am nächsten steht, ist eine Zeichnung nach Klüserschem Verständnis daher nicht nach dem Grad ihrer kunstfertigen Ausführung zu beurteilen: Die direkten Spuren sind oft jene, die am stärksten wirken.

Die Sammlung verfolgt dieses Prinzip über Jahrhunderte hinweg: Das Blatt des römischen Künstlers Taddeo Zuccari aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, in dem ein Satyr seinen Finger ausstreckt (Bild oben), katapultiert den Betrachter in den Schaffensprozess zurück, denn die Hand ist nur mit Tusche angedeutet und (bewusst?) nicht zu Ende ausgeführt.

Die Lust am Unvollendeten
Joseph Beuys, O.T., 1954.
Die Schau schafft auch noch anderswo solche Momente der Unmittelbarkeit: Etwa mit Blättern des Autors Victor Hugo, oft kaum mehr als Rorschach-artige Kleckse, die mit Titeln wie "Die Erschaffung der Welt" als Sprungbretter ins Fantastische dienten.

Die großen Räume der Kunsthalle füllen solche exquisiten Kleinformate allerdings nicht, und so wurde so ziemlich alles ausgebreitet, was in der Klüserschen Zeichnungssammlung sonst noch vorhanden ist: Großformatige Arbeiten des auch von der Galerie Klüser vertretenen Italieners Enzo Cucchi; Modernes von Gauguin bis Picasso; Lenin-Porträts von Andy Warhol, die auf einem Foto basieren, das Klüser einst dem Künstler gab.

Das Problem ist nicht nur, dass in der Fülle der ursprüngliche Fokus kaum mehr zu halten ist: Die Schau geriert sich auch als kunsthistorischer Parcours von der Renaissance zur Gegenwart, was sie jedoch nicht ist. Die (Selbst-)Beschränkung auf eine fokussierte Thesenausstellung wäre definitiv besser gewesen.

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